2022 Oktober

 

In Nordnorwegen hört das Engadin nicht auf! Über hunderte von Kilometern gleite ich durch farbenfrohe Birkenwälder (nicht Lärchen) an blauen Seen und Fjorden vorbei. Hügel und Berge weisen den Fjorden, Tälern, Flüssen und Strassen den Lauf.

 

Um Mitternacht (27.9.2022) erwache ich durch das Tratschen und Kichern von ein paar Italienerinnen in Hakvik Söndre, südlich von Narvik. Es lohnt sich ein Blick nach draussen. Aurora Borealis malt zarte, grüne, sanft bewegte Seidenbahnen an den Nachthimmel. Noch etwas zaghaft in den Farben und Bewegungen, aber immerhin, es ist ein Anfang.

 

Auf der E6 übersehe ich eine durchgestrichene Hinweistafel, weil ich dem Navi blind vertraue. Es schickt mich gerade aus. Ich ziehe auf der menschenleeren, autoleeren Strasse dahin, bis ich vor einem geschlossenen Fährenquai stehe. Drei Monate müsse ich auf die Fähre warten, meint lachend ein Arbeiter. Zum Glück sind es nur fünfzehn Kilometer zurück, um auf die Auswegstrecke 825 zu gelangen. Von Kjöpsvik nach Drag hocke ich während fünfundvierzig Minuten auf der Fähre und bei Fauske mündet die 825 wieder in die E6 ein.  

 

Fauske liegt auf der Höhe, wo die E80 nach Bodö in den Westen abweicht. Hier kriege ich Diesel und LPG. Beide Tankflaschen sind voll. Vierundvierzig Liter Propan. Das genügt für eine warme Stube bei allem Wetter.

Nach drei Etappen seit Tromsö bin ich eintausendeinhundert Kilometer gefahren (27. - 29.9.2022). Der IVECO und der CARTHAGO sind gut zueinander und zu mir. Problemfreies Reisen.

 

Der Campingwart vom KOA Camping in Hylla ist auch Getreidebauer und muss zur Ernte. Sie seien dieses Jahr spät dran, weil der Juli total verregnet war. Aber das Korn sei flott gewachsen. Manchmal müssten sie in dieser Gegend das Korn bewässern. Dann sei auch das Wasser kontingentiert. Er schenkt mir die Kosten für den dritten Waschgang und den Trockner. Das gehe aufs Haus. Ich bin einer der wenigen Gäste hier. 

 

Einige Graugänseschwärme schwingen sich über mir laut krächzend in Richtung Nord/Nordwesten. Warum in diese Richtung? Wollen sie den Winter herausfordern, um dann beschwingt nach Süden abzudrehen? Einzelne fliegen in die Gegenrichtung. Warum wohl? Haben sie ihr Gepäck vergessen?


Ach, ich weiss so Vieles nicht und bin doch ganz glücklich über das Wenige, das ich im Leben kapiert habe. Die Gänse sind auf Nahrungssuche und lassen sich zu hunderten auf abgeernteten Feldern nieder.

 

Über Land findet man keine störenden Hotelbauten in den Dörfern. Es sind die netten, kleinen Hytter (Hütten), die Gäste aufnehmen.

 

Im Norden Norwegens behauptet sich die Tundra mit niedrigen Birken, Büschen, Erika, Blaubeeren, Pilzen, Moosen und Weideröschen.  

 

Die Gegend um Trondheim wird als Mittelnorwegen bezeichnet. In diesem Gebiet bringen Farmer Ende September die Getreideernte ein. Überall gelbe Stoppelfelder.

 

Trondheim. Der Nidarosdom mit seinem doppelten Längsschiff und Querschiff macht mir mächtig Eindruck. So fein gearbeitet und wirkungsvoll gestaltet. Die Bau- und Reparaturgeschichte während tausend Jahren ist ebenfalls aufwändig. Im Nidarosdom wurden zwischen 1818 und 1906 sieben Könige gekrönt und zehn begraben.

In einem eineinhalbstündigen lutherischen Gottesdienst (2.10.2022) erlebe ich den Kathedralechor zusammen mit dem traditionellen Knabenchor.

 

Am Abend das fantastische Konzert mit Tanz: Venite celebremus, Scola Sanctae Sunnivae, Künstlerische Idee und Durchführung: Anne Kleivset. Sie scheucht das Publikum durch alle Teile der Kathedrale, lässt tanzen zum Gregorianischen Choral mit orientalischem Gesang und Violine, teils gegenübergestellt, teils gemischt. Dann wieder unterlegen zwei Perkussionisten den Choral. Überraschend schön vorgetragen wirkt der normalerweise langweilig tönende Stammbaum Israels. Die Künstlerin lässt die Namen durch einzelne Stimmen im Chor wieder und wieder wiederholen, so dass sie wie ein wirres Echo zurück in die Jahrhunderte des Stammbaumes ertönen. Sehr meditativ.

 

Südlich von Trondheim kehrt die Wildnis wieder zurück. Unmerklich steigt die E6 bis auf tausend Meter hoch. Flechten breiten sich über die Hügelzüge aus und erscheinen wie Schnee. Auf einigen Gipfeln liegt wirklich Schnee!

 

In Dombas bekomme ich von einer Apothekerin den Tipp, für eine mitgebrachte Spritze die Arztpraxis vor Ort aufzusuchen. Nach kurzen Klärungen verpasst mir eine Ärztin die Ibandronatspritze. Sie hilft, die Osteoporose zu stoppen. Ich bin schmerzfrei.

 

Ich habe mir einen schöneren Aufenthaltsort erträumt, als auf der etwas verwahrlosten Shell-Tankstelle in Favang (3.10.2022), zweihundertdreissig Kilometer vor Oslo. Aber die Anzeige auf meiner IVECO-Tafel lautet «Regeneration nicht abgeschlossen». Da haben wir es wieder, dieses Übel, das mich schon vor Tromsö ausgebremst hat. Ich schicke Simon Fürk AG in St. Gallen den Arbeitsverlauf von Tromsö. Postwendend ruft er mich an und gibt mir vorläufige Tipps zu meinem weiteren Verhalten. Das Einfachste wäre eine konstante Fahrt auf der Autobahn, aber die ist bis Oslo nicht möglich. Es gibt vom Nordkap bis Oslo auf der E6 keine Autobahn, nur Landstrassen. Fast ausnahmslos gilt Höchstgeschwindigkeit neunzig. Kaum erreicht wieder runter auf siebzig, sechzig, fünfzig, vierzig. Für hundert Kilometer braucht man schon mal zwei Stunden Fahrt! Das ist der Tod für mein verstopftes Dieselpartikelfilterteil. Oweh!

 

Hilfe naht. Ich bin heute (4.10.2022) vor Acht losgefahren und um 9.30 hundertzehn Kilometer von meinem Nachtplatz in Favang zu der Iveco Vang Auto AS nach Vang po Hedmark auf Hochtouren gedröhnt. "Ob ich in Eile sei? Sie hätten so viel zu tun.» Ich sage: «Wenn du so schnell wie möglich an die Arbeit gehst, darfst du wissen, ich habe alle Zeit der Welt. Es darf Tage dauern!» Sein Gesicht erhellt sich etwas. Also, ich bin in guten Händen und heil froh, dass wir es über tausendsechshundert Kilometer geschafft haben.

Ich habe alle Zeit der Welt! Die Landschaft ist wunderschön. Eben hat sich der Nebel gelichtet. Ein Buntspecht hämmert am geknickten Baum. Pilze flüstern mir in der Waldlichtung zu: «Bin ich nicht schön, begehrenswert?» Vor allem der Rote mit den weissen Punkten wirbt am Krassesten.

 

Am Nachmittag (5.10.2022) kann ich Richtung Oslo losfahren. Ein cooles Gefühl, wenn nach dem Start alle Warnlichter erlöschen. Das war schon lange nicht mehr so. Manchmal ist das Glückgefühl sehr intensiv und doch von kurzer Dauer. Nach vierzig Kilometern: «Motor kontrollieren lassen!» Telefon mit der Werkstätte in Vang po Hedmark. Ich ziehe es vor, zu der mir nun bekannten Werkstätte fünfzig Kilometer zurückzufahren. Um 15.50 Uhr haben die Mechaniker Feierabend! Die Arbeit geht morgen weiter.

 

Gereinigt ist dieser Dieselpartikelfilter scheinbar bald einmal (6.10.2022). Von 25 Gramm Russ ist er jetzt auf 4 Gramm. Abfahrt! Nach vierhundert Metern. Nothalt! Das Kupplungspedal kommt nicht mehr hoch! Die Abdeckung unter dem Steuerrad bis zum Pedal runter wurde schlampig befestigt. Sie hat sich mit dem Kupplungspedal verkeilt. Werkzeug her. Ich muss die Abdeckung ganz abbauen und dann zum Täter zurückfahren. Ohne Pannen geht`s auch jetzt wohl nicht weiter…

 

Leider ist das hoch über Oslo (6.-8.10.2022) gelegene Ekeberg Camping seit Mitte September geschlossen. Die Sicht auf die Stadt runter ist beeindruckend. Da parke ich halt wild. Das E-bike hilft mir wie andernorts die Stadt in Kürze zu erobern. So praktisch.  

Die beflaggte Strasse in Richtung Königschloss beeindruckt in seiner Länge. Das Schloss auf dem Hügel hingegen wirkt bescheiden.   

 

Ein Magistrat hat die Skulpturen von Vigeland (*1869 bis +1943) für sich beansprucht. Im Gegenzug kam er für den Lebensunterhalt des Künstlers auf.  

 

Norwegen: Fast alle Tunnels an der Hauptverbindung E6 in Nordnorwegen sind nur vier Meter zwanzig hoch. Ein kurzer Durchgang, unangekündigt und nicht zu umgehen, sogar nur vier Meter zehn. Entsprechend zerkratzt sieht er aus.  

Norwegen ist sehr schwach besiedelt. Vom Nordkap bis Kristiansand sind es tausendsiebenhundert Kilometer Luftlinie. Ein schmaler Streifen auf der Landkarte. Norwegen ist flächenmässig neunmal grösser wie die Schweiz, zählt aber drei Millionen weniger EinwohnerInnen.

(5,37 Mio EinwohnerInnen in Norwegen, 8,6 Mio in der Schweiz; 385000 km2 Norwegen, 41000 km2 Schweiz; Norwegen ist flächenmässig 9,2mal grösser).

 

Das Land der Fjorde, der Flüsse und Seen, der Tunnels und Fähren, der Berge und Täler, der Birken, der Büsche und Wälder, der Moose und Flechten verlasse ich nun in seiner schönsten, herbstlichen Farbenpracht.

 

Während eines Monats hatte ich an fünf Tagen nur etwas Regen. Das Wetterglück beschenkt mich reichlich.

 

Beim Start in Oslo (8.10.2022) habe ich ein gutes Gefühl für den Rest der Reise zurück in die Schweiz. Zu früh gefreut. Nach vierunddreissig Kilometern heisst es wiederum «Motor kontrollieren lassen». In diesem Moment spielt nach einer Tunnelfahrt auch das GPS verrückt. Es wirft Daten durcheinander und verweigert den Ausstieg. Als es wieder zu sich kommt, programmiere ich die nächste Iveco-Werkstatt. Ich bin nur noch dreizehn Kilometer davon entfernt. Dann zischt es durch mein Gehirn: Es ist Wochenende. Willst du hier wirklich wieder bis Montag warten? Die Mechs werden dann bestimmt erklären, sie hätten keine Zeit. Also lösche ich das Werkstatt-Ziel während der Fahrt und stelle mich auf «stur ignorieren». Freunde von mir kleben in einem solchen Fall einen Glückskäfer über das ärgerliche Symbol. So ein Glückskäfer fehlt mir noch.  

 

Bei Halden überquere ich die Grenze von Norwegen nach Schweden. Die Herbstpracht, wie ich sie in Norwegen erlebt habe, hat sich hier noch nicht ausgebreitet.

 

Auf dem DCU-Camping in Naerum (8.-10.10.2022) vor Kopenhagen ruhe ich nach fünfhundertfünfzig Kilometern Fahrt zwei Nächte und Tage aus. Ein Reh beäugt meine Ankunft. Am zweiten Abend ist es wiederum da, hopst aber nach einer Weile beiderseitigem Erstarren mit Kapriolen davon.

 

In Flensburg mache ich Rast (10.10.2022). Ich will noch einmal durch diese Strasse flanieren, wo ich mit Silvia, Betty und Paul vor siebenundzwanzig Jahren auf dem Weg zum Nordkap Zwischenhalt gemacht habe. Die Telefonkabine, wo Betty nach Hause telefonierte, steht nicht mehr. Betty meint: Heute trägt man die Telefonkabine in der Hosentasche.

 

Mit Telse und Claus in Bornhöved (10./11. 2022) verbringe ich einen Abend mit Reisegeschichten und einem Ausflug zu Mani, einem treuen Freund der Familie aus der Gründerzeit von Ruser AG.

 

Claus ruft einen Werkmechaniker herbei, der meine Iveco-Daten ausliest. «Regeneration nicht abgeschlossen». Machen können wir nichts.

 

Vor Hannover zweige ich ab Richtung Bremen in das Gebiet der Weser und des Rheines. Hier liegt das Land flach da, falls mein Iveco bald flachliegen sollte. (Flach stellt sich beim Fahren als total falsche Annahme heraus!) Unterwegs überfällt ein Kraftverlust den Motor. Die Leistung wird notfallmässig gedrosselt.

 

Die nächste Werkstatt finde ich in Stolzenau (12.10.2022). Ich schildere dem Mechaniker den Werdegang des Übels und was bisher alles ausgetauscht wurde. Unverzüglich entscheidet er sich, auf den Tipp des Mechanikers in Tromsö, den Stromfluss in den Elektrokabeln zwischen den Sensoren vor und nach dem Partikelfilter zu messen. Da liegt der Hund begraben. Ein Kabel ist unterbrochen. Selbst die knifflige Suche nach dem Wo dauert nicht lange. Das Kabel wird ersetzt. Nach zweieinhalb Stunden kann ich die Werkstatt verlassen. Wie glücklich ich bin, den letzten Fehler behoben zu haben. Jetzt kann mich nichts mehr aufhalten.

 

Nach zweihundert Metern dieselbe Fehlermeldung! Du kennst sie schon. Regenera… Zurück zur Werkstatt in Stolzenau. Die Zeit vor Arbeitsschluss reicht gerade noch eine zwangsweise Verbrennung im Partikelfilter durchzuführen! Danach suche ich das Weite. Keine Fehleranzeige mehr!

 

Obwohl ich gespannt bin, ob das auf den nächsten achthundert Kilometern bis in die Schweiz so bleibt, mache ich bereits in Bückeburg einen zweitägigen Halt (12.-14.10.2022). Die hübsche, flache Gegend durchzogen von der Weser und für mich namenlosen Bächen laden ein. Interessant ist das grosse Helikoptermuseum mit all seinen Entwicklungen, wenn auch gespiesen durch Kriegsbedarf.

 

Heute (14.10.2022) bringt mich das Womo fünfhundertvierundsiebzig Kilometer weiter südlich bis zum Stellplatz Maxau am Rhein vor Karlsruhe. Der Iveco arbeitet super. Nur das Garmin GPS versucht mich eine Stunde lang zu ärgern. Ich halte mich darum an die Autobahnen, denn über Land wäre ich ohne GPS ziemlich verloren. 

 

Jetzt wage ich sogar einen Abstecher nach Ribeauvillé im Elsass (15./16.10.2022) Bunte Fachwerkhäuser, Sauerkraut, Ortswein. Für mich noch Méringue und Eclaire.

 

Vom 4. September bin ich nun 7800 Kilometer gereist. Gesund und allezeit glücklich – Pannen können mich nicht bodigen - fahre ich am 16. Oktober 2022 am Ausgangspunkt in Rotkreuz ein. Für alles bin ich von Herzen dankbar.

 

Theres und Hans, die mich von Rotkreuz bis Tromsö begleitet haben, holen sich ein paar Habseligkeiten, die sie wegen Flugverbot oder Sperrigkeit bei mir gelassen haben. Auch sie denken beglückt an diese Reise zurück.

 

Immer wieder schaue ich mir die Bilder der Norwegen-Reise an und lasse mir meine Berichte auf dem Computer vorlesen. Die Erinnerungen durch das Sehen und Hören erfüllen mich mit Glücksgefühl und grosser Zufriedenheit!  

 

 

2022 September

Theres und Hans verlassen mit mir Rotkreuz am 4. September 22. Nach fünfhundert lastwagenfreien Kilometern erreichen wir das angenehme Camping «Spitzer Stein» in Grünberg D. Hübsche Fachwerkhäuser.  

 

Weitere fünfhundert staufreie Kilometer bringen uns zu Ruser`s in Bornhöved D. Telse und Claus empfangen uns so herzlich, als ob wir zur Familie gehören würden. Für mich fühlt es sich an wie nach Hause kommen, bin ich doch schon das dritte Mal vor Ort. Staunen löst immer wieder die Besichtigung des riesigen Sägewerkes aus, das Claus mit Telse aufgebaut hat. Immens und elektronisch, softwaremässig clever bis zur Verarbeitung von komplizierten Dachstühlen.

 

In Hirtshals kriegen wir erst am 7.9.2022 ab fünf Uhr am Nachmittag eine Fähre nach Kristiansand. Macht nichts. Das Camping neben dem Leuchtturm ist wunderbar am Meer gelegen. Kristiansand ist zwischen Felsen eingebaut. Wenig Platz zum Stehen. Also weiter nach Aros, etwas abwärts für eine wilde Nacht.  

 

Der Autobahnbau im Süden Norwegens ist voll im Gang. Brücken und Tunnel, Tunnel und Brücken. Sehr aufwändige Arbeiten.

 

Stavanger (8.9.2022) birgt ein paar bunte kleine Strassen. Sie werden mit Kreuzfahrttouristen überschwemmt.

 

Der Stellplatz (9.9.2022) vor den Sporthallen in Bergen wird voll. Wir lassen uns von der neuen Schweizer Schwebebahn Garaventa rauf- und runterfahren. So bequem und altersgemäss. Die Weitsicht auf die Fjorde und deren Verästelungen ist grandios.

 

Der Weg von Bergen zur E6 Richtung Norden ist von ständig ändernder Natur. Wunderbar. Zum Fahren teils aufwändig eng. Auf der 55 fahren wir immer höher auf den Sognefjell. 1434 müM. Ein prächtiges, weites Hochland mit Seen eröffnet sich entlang gletscherbesetzter Berge. Wir sind der Gletscherwelt nahe!  

Bei Otta (10.9.2022) treffen wir nach 442 Kilometern von Bergen auf die E6.

 

Wie geht es dem Womo? Es verliert Motorkühlflüssigkeit! Wir schütten literweise nach (und das über Tage, wohl bis ich es in der Schweiz reparieren lassen kann?). Ein Leck finden wir nicht. Teuflischerweise hat sich auch unter dem Teppich im Womo Wasser still und heimlich verbreitet. Wir können die Wasserader nicht finden und es nässt auch nicht nach! Rätsel über Rätsel.

 

Die weiten Kornfelder werden durch Misch- und später Fichtenwälder begrenzt. Der Autobahnbau entlang der E6 bis Trones reisst breite Narben ins felsige Gelände. Wegen fehlender Informationen verlassen wir das Familiencamp unbezahlt.

 

Die Fahrt auf der E6 bietet wieder fantastische Ausblicke, vor allem auf siebenhundert Metern beim Arktischen Wendekreis (Arctic circle, 12.9.2022). Hier erspähen wir die erste Rentierherde auf den herbstlich gefärbten Höhen. Traumhaft schönes Hochland!

 

In Bodö fahre ich instinktiv zum Hafen, um Informationen bei Touristen einzuholen. Einige stehen ohne Reservation blockiert. Es gibt keinen Platz mehr auf der Fähre. Sie bekommen eine Chance um 01.00 Uhr. Das will ich auch versuchen. Eine lästige Sucherei beginnt im Internet. Sie bringt mich zur Verzweiflung. Ja, ich fühle mich verar… Bei einem deutschen Mobil suche ich Hilfe. Alexandra sagte mir vorhin: « Wenn du Probleme hast, kannst du zu mir zurückkommen.» Und ob ich Probleme habe. Mein Laptop und mein Handy lassen mich auf keine Art zur Buchung zu. Verzweiflung! Alexandra prüft auf ihrem Handy und siehe da, mit ihrem Handy ist das kein Problem. Mit viel Geduld tickt sie meine Daten ein. Wir kriegen, Alexandra und ihrem Handy sei Dank, eine Fähre auf Dienstag, 13. September 22, um 16.45 Uhr von Bodö nach Moskenes auf den Lofoten. So was von Hilfsbereitschaft!

 

Die dreieinhalb Stunden auf der Fähre gehen angenehm rasch vorbei. Das Camping in Moskenes lässt uns nach Acht noch einfahren. Die erste Regennacht, der erste Regentag auf dieser Reise. Die Wellen preschen auf Felsen. Auf der Fähre lernen wir Mariella und Beat vom Baschärhof in Bad Ragaz kennen. Sie sind per Fahrrad mit Hund unterwegs. In Gesprächen zeigt sich, wie viele gemeinsame Bekannte wir haben. Die Welt wird ganz klein.

 

Der Regenspuk ist vorbei. Eine Französin erzählt, sie komme vom Norden hergefahren. Nur Regen, Regen! Wir hingegen erleben herrliches Wetter. Drei Nächte verbringen wir im Camp von Moskenes. Reine und A zeigen sich in fotogenster Pose. Wir bestaunen auch die schroffen Felsformationen, die direkt in die blauen Fjorde abfallen.

 

Die Fischerhäuschen, das Restaurant und viele Gebäude von Nusfjord sind in privater Hand, erklärt uns ein Manager aus Oslo. Es leben während der Sommersaison etwa acht Menschen hier. Es sei seit 1920 der nasseste Sommer gewesen. Nur an drei Tagen hätten die Wirtsleute draussen servieren können. Und jetzt unser Prachtwetter (16.9.2022)!

 

Vierzig Kilometer weiter fahren wir zur Bolderbucht Uttaklev und verbringen hier abseits eine ruhige Nacht (16.9.2022).

 

Das tolle Wikingermuseum in Borg öffnet erst um elf. Zu spät für Frühaufsteher. Wir fahren weiter.

 

Die Natur zieht ihre Herbstkleider an. So farbenfroh und immer wieder neue Buchten und Fjorde. Einfach traumhafte Abwechslung. 

 

Das Womo säuft weiterhin Kühlflüssigkeit (17.9.2022). Öfter erscheint eine neue Meldung: «Regeneration nicht beendet. Bedienungsanleitung beachten.» Bevor wir unter dem Slöverfjord im Tunnel durchtauchen, möchte ich mir Gewissheit verschaffen, am Ende wieder auftauchen zu können. Also Handbuch studieren. Da steht kein Wort drin über Regeneration! Was soll das?

 

Was bleibt mir anderes, als den Versuch zu wagen! Dreitausenddreihundertvierzig Meter ist der Slöverfjordtunnel lang. Lochab tief unter Wasser geht’s gut. Tunnelaufwärts verliert der Motor stetig an Kraft. Ich bleibe warnblinkend stehen, um dem Motor eine Verschnaufpause zu können, bevor er ganz erstickt. Nach einigen Minuten kriechen wir die letzten Meter hoch. An der frischen Luft auf der flachen Strasse erholt sich der Patient. Theres, Hans und ich, wir erholen uns auch! Gerade noch mal aus der misslichsten Situation, in einem Tunnel steckenzubleiben, erlöst!

 

Im kurzen Falkfjordtunnel gibt es eine kleine Steigung, mühsam: «Lass mich da bitte noch raus!»

 

Nach einer kurzen Wegstrecke wartet der Myrlandstunnel (1910m), uns zu verschlingen. Vor der Einfahrt gibt es zum Glück einen Parkplatz. Da stellen wir uns gern hin. Ich bereite alle nötigen Daten vor, um den Pannendienst anzurufen. Der Agent nimmt (16.00) die Daten entgegen und klärt uns perfekt über alle Hilfeleistungen auf.  Danach leitet er unseren Hilferuf weiter.  

 

Nach zwei Stunden (18.00) ruft uns eine Mitarbeiterin an und bittet um Entschuldigung. Sie sei besorgt, ob es uns gut gehe? Ob wir im Womo allenfalls schlafen könnten, ob wir Essen und Getränke bei uns hätten, ob wir im Trockenen seien, ob wir in keiner Weise bedroht seien? Ihren Angaben zufolge würden wir im Meer stehen! Der schwedische Pannendienst finde uns nicht!

 

Wie auch, wir sind in Norwegen!!!

 

Ihr Kollege hat zu den norwegischen Ortsdaten «in Schweden» geschrieben. Erneuter Versuch einer Standortklärung. Die ist mit heutigen Mitteln eigentlich kein Problem, aber wenn es chögelen tut, dann richtig. Die nette Dame ersucht uns immer wieder um Geduld. Sie kennt uns nicht und meint, über uns breche der Himmel oder stürze der Fjord ein. Die kennt unsere Gelassenheit nicht. Wir seien in einem weiten Land und so eine Hilfeleistung könne sehr lange dauern. Wenn sie heute vom Pannendienst nichts mehr höre, rufe sie ihn am Sonntagmorgen um acht wieder an.

 

Um 19.30 kommt ein kleiner Huckepacker. Der Chauffeur nimmt keinen Kontakt mit uns auf und fährt nach ein paar Minuten wieder weg. Um 20.00 kommt er wieder angefahren. Er habe noch zu einem weiteren Notfall zurückfahren müssen. Jetzt stellt er fest, sein Huckepacker ist für mein Womo zu hochbeinig. Huckepack bringen wir es auf eine Gesamthöhe von über viereinhalb Meter. Der Unterwassertunnel Richtung Süden ist nur vier Meter zwanzig hoch. Er versucht einen anderen Fahrzeughalter zu erreichen, was nicht gleich gelingt. Wir dürfen in dieser Nacht ruhig schlafen, sagt er, und weitere Klärungen am Sonntag abwarten. Gute Nacht!

 

Frau B von der Versicherung ruft um 21.30 nochmals an. Der Huckepacker verlange dreitausend Franken. Normal in der Schweiz seien zweihundertfünfzig, höchstens sechshundert Franken. Sie müsse das intern noch abklären! Gute Nacht!

 

Um 22.30 Uhr ruft ein norwegischer Agent an: Morgen Sonntag kommt ein grosser Huckepacker. Der wird euch um die Mittagszeit aufladen.

 

Sonntagmorgen (18.9.2022). Wir stehen noch vor dem Myrlandstunnelen! Kurz vor zwölf kommt tatsächlich ein hochbeiniger Huckepacker angefahren. Er kann zwei Ladeflächen nach hinten ausfahren, um eine Rampe zu bauen. Die ist noch zu steil für meinen grossen Überhang! Wir tragen auf Hansens Vorschlag Steine herbei, Bretter und Aluminiumschienen. Ein paar Zentimeter gewinnen wir durch die «off road» Position an meinem Fahrzeug. Sorgfältig zieht Dag mein Wohnmobil Dank der kratzenden Auffahrrollen ohne Aufsetzer am Stahlseil auf seine Ladebrücke hoch. Dag verzurrt die Räder.

 

Jetzt haben wir nur noch ein Problem, meint Dag. Ihr müsste alle in eurem Womo Platz nehmen! Wie da hochkommen? Die Aluleiter in meinem Womo hat schon oft gute Dienste geleistet. Auch diesmal klettern Theres, Hans und ich zur ausgefahrenen Womotreppe hoch. Drin sind wir…  

 

Dag rüttelt an unserem Womo. Er prüft, wie stark die Seitenbewegungen sind. «Soll ich die Stabilisatoren rauslassen?» «Ja, sonst werdet ihr seekrank. Aber nur ausfahren, bis sie auf der Ladefläche aufliegen. Nicht anheben.»

 

Auf der hundertdreissig Kilometer langen Fahrt von Myrlandstunnelen bis zum LKW-Zenter K.Simonsen in Harstad fühlen wir uns wohl. Dag fährt sehr vorsichtig, um seine Bundeslade nicht zu verlieren. Bundeslade? Es ist immerhin ein Schweizer Womo am Eidgenössischen Dank-, Buss-, und Bettag auf seinem sechs Tage jungen Lastwagen.

Das Abladen verläuft problemlos. Dag fährt seinen Lastwagen eine kleine Rampe runter, sodass seine Verlängerungen fast waagrecht auf dem Boden aufliegen. Mit eigner Kraft fährt mein Womo von der Ladebrücke. Aber auch hier geht es um Zentimeter vor dem Aufkratzen.

Am 19.9.2022 stehen wir um sieben Uhr zur Evakuation ins Hotel in Harstad bereit. Der Technikerchef von Kurt Simonsen erklärt uns, der IVECO Service sei seit Oktober 2021 aufgehoben. Sie hätten keine Computer-Software und keine Ersatzteile mehr von IVECO. Falsche Adresse.

 

Wir nehmen erneut Kontakt auf mit der Schweizer Versicherung. Frau Pfarrer meldet sich. «Sie dürfen mir Herr Pfarrer sagen. Ich bin es von Beruf,» entgegne ich. Lachend beginnen wir die Verhandlungen. Sachlich muss sie mich weiterleiten. Chefsache. Der erste Innlandtransport hat schon mal dreitausend Franken gekostet. Der Weitertransport zu einer IVECO führt nach Tromsö. Die doppelte Wegstrecke wie bisher, ca dreihundert Kilometer.

 

Die Wartestunden verstreichen langsam. Es bleibt ungemütlich kalt im Womo. Die Energie schwindet, weil es auf die Solarpanel regnet und ich den Motor nicht zur Energiegewinnung laufen lassen kann.

 

Der Transport von ihrem Schweizer Unternehmen von Tromsö in die Schweiz – 3500km - sei günstiger als der norwegische Transport – 300km -, meint jemand in der Versicherungsanstalt allen Ernstes und versucht mich zu einem Transport in die Schweiz zu bewegen.

 

Wir alle sind durch ständige Veränderungen sehr gefordert. Meine Gäste machen toll mit. Wir wechseln von der Garage zum Camping in Harstad, schliessen Elektro an und laden unsere Geräte. Kaum ausgeruht, erhalten wir um 18 Uhr einen Anruf. Dag  Espen, der Chauffeur des Huckepacklastwagens, sagt: «Wir fahren heute (19.9.2022) um 21 Uhr los nach Tromsö.» «Hast du diesen Auftrag von der Versicherung?» «Ja». Ohne meine Gäste zu befragen, die Zeit drängt, sage ich: «Grossartig!». Wir erledigen noch alle Dienste am Womo: Wasser tanken, Abwasser leeren, Clocassette leeren. Der Campingchef kommt dazu und erlässt uns alle Kosten! So entgegenkommend!

 

Um halb zehn ist das Womo zum zweiten Mal verladen! Wir Drei müssen wieder im Wohnmobil hoch über der Strasse Platz nehmen. Bis morgens um Drei schwanken und dösen wir durch die Nacht. Das Abladen vor der Team Verksted in Tromsö geht schnell. Um vier legen wir uns schlafen. Um sechs ist wieder Tagwache.

 

Der einzige IVECO-Mechaniker in der AllTruckWerkstatt sei hoffnungslos überlastet. Es könne Wochen dauern, bis ich an der Reihe sei, ist die Auskunft des Arbeitsmanagers. Sie könnten vielleicht höchstens einen Check machen.

 

Unsere Hirnwindungen winden sich wieder durch alle möglichen und unmöglichen Szenarien. Der Himmel hat aufgeklart. Wir überlassen das Womo der Werkstatt (20.9.2022) und fahren per Taxi die hübsche Altstadt von Tromsö anschauen. Für ein paar Stunden sind wir wieder richtige Touristen auf der Sonnenseite.

 

Die Nacht können wir im Womo verbringen. Es steht vor den Toren der Werkstatt und ist am Stromnetz angeschlossen. Befund, 21.9.2022. Wir müssen den Motor nochmals checken. Der Kühlflüssigkeitsverlust geht nicht in den Motorblock, sondern ins Abgasrückführungssystem (AGR) und verstopft dieses. Es kann eine lecke Leitung sein oder was im Kühlsystem kaputt. Dieser Befund ist möglicherweise weniger dramatisch als befürchtet, weil es nicht den Motorblock betrifft.

 

Wir mieten bei Hertz ein Auto (22.9.2022), um in Lyngseidet einen Besuch zu machen und die mitgeführten Geschenke abzuliefern. Da erreicht uns Even von der Werkstatt, wie angenommen, sei das AGR kaputt und müsse ersetzt werden. Das bestellte Teil werde am Montag von Deutschland her eintreffen! Er werde etwas freie Zeit schaffen, das Teil einzubauen. Was für eine Botschaft! Sie lässt mich den ganzen Tag auf Hochtouren laufen.

 

Der Himmel klart wieder auf. Die Wälder zeigen sich in braunrotem und goldenem Glanz! Auch diese Bilder lassen mich jubeln. So schön!

 

Bei den Weltenseglern, den Schwörers vom Boot TOPtoTOP, erleben wir interessante Stunden. Theres führt Frauengespräche mit Sabine. Wie ist es möglich, mit einem fünfzehn Meter lagen Boot auf den Weltmeeren unterwegs, sechs Kinder zu gebären, sie aufwachsen zu lassen, zu ernähren und zu schulen und das bei zeitweise stürmischen Verhältnissen und finanziellen Unsicherheiten und Entbehrungen.

 

Hans hilft Dario mit kniffligen Tests ein gefährliches Fehlverhalten der Ankerfernbedienung zu erkennen. Zeitweise gibt es einen «Kurzen» im Kabel. Auch mit Tipps zur Befestigung einer Veranda am neu isolierten kleinen Haus in Lyngseidet steht Hans zur Seite.

 

Die Kinder spielen munter vergnügt mit den neuen Überraschungsspielzeugen von den Grosseltern. Norwegisch zu verstehen und zu sprechen ist für die Kinder bereits kein Problem mehr. Was für ein Schatz, diese Sprachwendigkeit, die die Familie auf allen Kontinenten pflegt. Mit Leichtigkeit und einer befreienden Selbstverständlichkeit nehmen die Kinder fremde Menschen im familiären Bereich auf.

 

Das grosse Anliegen der Schwörers, von Eltern wie Kindern, ist es, Kinder auf der ganzen Welt wieder der Natur näher zu bringen, sie zu achten und selber als Teil der Natur zu leben. Mit Vorträgen aus dem Erlebten und gemeinsamen Aktionen mit Schulkindern tragen sie so schon seit zwanzig Jahren zum Frieden in der Welt bei. Ein jüngeres Projekt besteht darin, Universitäten in aller Welt im wissenschaftlichen Suchen zu verbinden und das übliche Konkurrenzverhalten zu durchbrechen. Sie beliefern die Universitäten mit microgefilterten Beständen aus den Meeren, zur Zeit vor Spitzbergen und der Ostküste vor Grönland.

 

Theres, Hans und ich sind froh, jeweils nach unseren Ausflügen wieder im Wohnmobil zu hausen. Die Mechaniker stellen es jeweils vor die Tore und geben uns Strom, der in Norwegen sehr billig ist, zum Aufladen unserer Geräte und zum Heizen. Die Tagestemperatur hält sich tags zwischen zehn und zwölf Grad Celsius. 

 

Leider läuft am Samstag, 24.9.2022 für Theres und Hans die Reisezeit ab. Sie besteigen das Edelweissflugzeug mit dem für diese Saison letzten Direktflug von Tromsö nach Zürich.

 

Unsere gemeinsamen Reiseerlebnisse über Deutschland, Dänemark, Norwegen sind vielzählig wie die Sterne am Himmel. Auch die schönsten Erlebnisse brauchen täglich eine grosse Aufnahmebereitschaft und Kraft zur Verarbeitung. Ungewohntes und Verunsicherungen aller Art müssen durchdacht und eingeordnet werden. Eine grosse Bereitschaft, sich auf dauernd ändernde Verhältnisse einzustellen ist gefordert. Ich bewundere Theres, wie sie mit demnächst achtzig Jahren und Hans, wie er mit bald vierundachtzig Jahren, wie sie gemeinsam alle diese innere Arbeit leisten, dabei gesund und munter bleiben. Alle Achtung!

 

Meer und Himmel erstrahlen tiefblau über Tromsö! (25-9-2022). Mit dem e-bike radle ich auf den Inselrücken und fahre ihn der Länge nach auf Kies- Rad und Wanderwegen von der Nordspissen zur Sydspissen ab. Traumhaft schönes, naturbelassenes Naherholungsgebiet über der Stadt. Im Winter dienen diese Wege auch als Loipen. Überall gibt es naturnahe Spielplätze und Kindergärten. Ein grosses Geschenk! Die Stadt wird mir von Tag zu Tag sympathischer.

 

Den Vormittag (27.9.2022) geniesse ich mit vierzig Kilometer E-bike über Tromsö und die Kvalöybrücke bis nach Ersfjordbotn. Dann ruft mich die Werkstatt zurück.  

 

Seit sechzehn Uhr bin ich wieder auf freiem Fuss. Das Womo ist geflickt, aber nicht ganz. Das Abgasrückgewinnungsteil AGR ist ersetzt. Der Sensor vor diesem Gerät musste auch ersetzt werden. Der Sensor nach dem AGR, vor dem Katalysator zeigt Fehlwerte an. Es könne der Sensor selber defekt sein, oder aber die alte, brüchige, harte Verkabelung. Diesen Sensor müsste er kommen lassen und die Arbeit mit der Verkabelung bräuchte einen ganzen Tag. Er wisse nicht woher die Zeit dafür nehmen. Ich könne mit dem bisherigen Stand der Dinge zurück in die Schweiz fahren. Wie immer ohne Gewähr!

 

Da ich auch noch an einer nicht funktionierenden Gastanksäule stehe, nehme ich alles als Vorzeichen für den nahenden Schnee, wie mir Einheimische bei stahlblauem Himmel weissmachen wollen. Spontane Entscheidung! Ich entschliesse mich, Tromsö zu verlassen und schnurstracks auf die E8 und dann bei Nordkjosbotn auf die E6 nach Süden zu fahren.

 

Um 20 Uhr wird es auch bei klarem Himmel dunkel. Genug für heute nach zweihunderfünfzig Kilometern. Der Motor muckst nur, wenn ich den Zündungsschlüssel drehe, danach gibt er Ruhe und schnurrt gemächlich dahin. Mach ja weiter so.

 

 

Der Abschied tut echt weh! Herbstfarbene Wälder, tiefblaue Fjorde und Seen, stahlblauer Himmel. So schön! Dann der goldene Himmel beim Sonnenuntergang über dem Ololfjord vor Narvik. Irrsinnig lange Täler flankiert von hohen Bergen lassen mich wissen, der Weg geht noch weiter und weiter. 

2022 August 

 

Wenn schon Pech, dann wieder einmal zur rechten Zeit am rechten Ort (2.8.2022). Nach Besuchen in Gossau und St. Gallen nächtige ich auf einem Autobahnparkplatz, um anderntags weitere Besuche in Oberriet und Altstätten zu machen. Online am Stromnetz merke ich den Mangel nicht; erst unterwegs, wo die Batterien alles hergeben sollen und es nicht tun. Sofort wende ich, um in wenigen Kilometern in Arbon meinen Carthago-Händler aufzusuchen. Klarer Fall. Nach fünf Jahren sind beide Wohnraumbatterien am Ende. In ein paar Tagen kann ich Neue eingebaut bekommen. Jetzt aber schnell wieder ans Stromnetz, denn die Sachen im Kühlschrank fühlen sich warm an und die kürzlich erstandenen Filets im Gefrierfach tauen auf. Ich bin froh, passiert dieses Ableben der Batterien hier und jetzt und nicht erst auf meiner nächsten Auslandreise, die im September beginnen wird.

 

Den Monat August verbringe ich mit Besuchen in der Schweiz. Die Strassen und Plätze überlasse ich jenen Campern, die ein enges Zeitfenster für ihren Urlaub haben. Gemessen am täglichen Stau am Gotthard müssen das sehr viele sein!

 

Am letzten Tag im Monat (31.8.2022) bringt CCC Arbon mein Satellitenpanel in Ordnung. Bei der Satellitensuche hat es sich unaufhörlich im Kreis gedreht. Einen Monat ohne Fernsehen. Demzufolge ist mein Wissensrückstand über das Weltgeschehen enorm angewachsen. Zum Glück!

Wenn du das Gefühl hast, die Welt sause immer tiefer in den Abgrund, rate ich dir, einen Monat lang den TV-Stecker zu ziehen. Die Welt, die du dann um dich herum wahrnimmst, deine Realität, deine verkraftbare Realität, sieht dann gar nicht so übel aus. «Und die Welt dreht sich doch!»

 

Falls eines Tages kein Strom mehr fliessen sollte, und die hochauflösenden Bildschirme nicht einmal mehr andeutungsweise etwas zu pixeln haben, wird unser Denken und Sinnen, nicht mehr vom globalen Nachrichtenmüll zugedeckt, sich erholen.

 

Ein kleines Plätzchen am San Bernardino Pass neben einem munteren Bächlein hat es mir angetan. Da bleibe ich für ein paar Tage in der Stille und Einsamkeit (24.-29. August 22) der Bergwelt. Ich nehme mir Zeit, in den privaten Tagebüchern seit 1992 aus meiner Vergangenheit zu lesen. Ich bin beeindruckt, wie viele Geschichten, Gereimtheiten und Ungereimtheiten in ein Leben hineinpassen. Vieles erfüllt mich mit Dankbarkeit.       

   

 

 

2022 JULI

 

Während ich wegen des überraschenden Todes meines Schwagers Sepp wieder in der Schweiz bin, kommt die Anfrage zu einem Alpgottesdienst mit Taufe.

 

Die Jagdgesellschaft Valais richtet auf der Vilterser Alp eine Festwirtschaft ein. Die Musikgesellschaft Vilters nimmt Platz unter dem Pilz. Stefan improvisiert einen Altartisch mit Taufbecken.

 

Bei sonnigem Wetter füllt sich um elf Uhr (3.7.2022) der Platz vor den Alphütten mit BesucherInnen. Viele mir vertraute, erwartungsvolle Gesichter. Ich fühle mich sehr wohl, diesen Alpgottesdienst zu feiern. Der Psalm 23 «Du, Gott, bisch min Hirt. Mir fehlt`s a nüt», spricht meine Lebenserfahrung und mein Grundvertrauen aus. Darüber spreche ich zu den Anwesenden. Auf dieser Ebene von Vertrauen taufen wir den kleinen Lars in froher Runde, sprechen das grosse Dankgebet der Eucharistie und halten das Mahl, immer wieder unterstützt durch die feinen Klänge der Blasmusik.

 

Bei der anschliessenden Festwirtschaft haben die Mitglieder der Jagdgesellschaft und Freiwillige alle Hände voll zu tun. Die fröhliche Stimmung lädt zum Verweilen ein. So schön!

 

Die Kirchenglocken fangen zu läuten an (10.7.2022). Der Messmer hält Ausschau vor der Kirche. Der Kapuzinerbruder aus Mels ist nicht angekommen. Stefan winkt mich herbei. Ich zögere noch eine Weile, um dem Bruder eine Chance zu lassen. Schliesslich übernehme ich - unvorbereitet wie ich bin - den Gottesdienst. Vor dem Einzug beten wir jeweils: «Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn…» Darauf verlasse ich mich! Bruder John kommt in diesem Moment an. Während ich den Gottesdienst eröffne, wird er mal durchatmen und nachher die Predigt halten. Bruder John ist Inder und seit drei Jahren Student in Münster (D), wo er promoviert. In den Sommerferien vertritt er unseren polnischen Ortspfarrer. Die Welt trifft sich auch in Vilters! So schön!

 

Mit Paul steige ich auf einer leicht begehbaren rechten Bachseite im Weisstannental hoch. Betti, Denise, Ines und Silvan auf der Linken. Während wir nur ein paar mickerige Pilze entdecken, bringen Letztere ein ganzes Kilogramm Eierschwämmli zurück. Betti ist unfassbar glücklich. So schön!

 

Judith muss mir den Reise-Erzählnachmittag (13.7.2022) im Seniorenheim Domat Ems kurzfristig absagen. Grund: neu verordnete Corona-Maskenpflicht. Die BewohnerInnen tun mir leid. Positiv oder ärgerlich für mich? Ich habe bereits das Innere des Womo`s gereinigt und das Spinnennetz über dem Lenkrad entfernt, denn ich wollte das Womo zur Besichtigung vorführen.  

 

Die Wiesen sind gemäht, der Wald zurückgestutzt. Die Tische und Sitzplätze eingerichtet. Das Feuer lodert im Herd und im Grillkamin. Yves und Peter stehen zum Grillen bereit. Salate, Kuchen und Getränke kommen von allen Seiten. Käthi und Theres lassen zu ihrem 80. Geburtstagsfest in diesem Jahr ein Berglifest in Vilters steigen. Von unserer Verwandtschaft sind fünfzig Personen anwesend und freuen sich über die Begegnungen, «eine wunderbare Familie und ein Kraftort..» So schön!

 

Der emeritierte St. Galler Bischof Ivo ist zweiundneunzig Jahre alt geworden. Jedoch ein paar Jahre mit beschwerlicher Parkinsonkrankheit. Heute (18.7.2022) nimmt Bischof Markus, der selber schon dreizehn Jahre lang Bischof ist, die Beisetzung in der Kathedrale St. Gallen vor. In zwei Jahren will Bischof Markus mit 75 Jahren ordnungsgemäss zurücktreten. Beim anschliessenden Apéro im Schulhof nutze ich während weiteren drei Stunden die Gelegenheit, mit Bekannten und ehemaligen Mitarbeitenden zu sprechen. Bei allem Hinhören auf persönliche und kirchliche Entwicklungen bin ich immer wieder froh über meinen direkten Abgang bei der Pensionierung vor elf Jahren. Das Leben liebt und beschenkt mich. So schön!