2022 Juni

 

Von den Vesteralen, genau gesagt von Andenes, bringt mich eine Fähre in eindreiviertel Stunden nach Gryllefjord auf Senja. Noch ein paar Kilometer Fahrt und dann ruhe ich erst mal an der Strasse 86. Wolken ziehen auf. Am Morgen ist der Himmel wieder blau!

 

Ich muss mich neu organisieren. Bei der Mitternachtssonne spüre ich die Uhrzeit nicht. Also muss ich den Wecker stellen, um rechtzeitig ins Bett zu gehen, sonst wird es immer morgen früh. Aus dem Wecker wird ein «Bettstecker».   

 

Auf dem Weg von Senja nach Tromsö (3.6.2022) rufe ich Dario mit Sabine und Kindern an, ob ich sie in Lyngseidet besuchen kann. Sie liegen dort vor Anker. Über diese Schwörer`s mit ihren Klimaprojekten (TOPtoTOP) werde ich dir nachher erzählen. Nur mal so viel: Dario`s Vater Reto ist ein Primarschulkamerad aus meiner Jugendzeit in Vilters/SG. Ich wollte ein Werk von «Die Schwörer`s» bereits 2019 in Chile besuchen, aber damals hat es die kranke Getriebeschaltung am Womo verhindert.  

 

Dario nimmt beim ersten Anruf ab. Er weilt mit seiner Frau Sabine und sechs Kindern kurzfristig in der Schweiz. Die Tochter Salina und ihr Sohn Andri studieren und werden durch einen «glücklichen Zufall» in Engelberg das Abitur machen. Salina wird an diesem Pfingstwochenende in Engelberg gefirmt!

 

Mein Anruf kommt Dario wie gerufen! Ein weiterer «glücklicher Zufall» sagt er. «Übertragung» fällt mir ein. Am Dienstag fliegen Schwörers mit vier Kindern und Gepäck über Helsinki nach Tromsö zurück. Anflug 17.15 Uhr. Um diese Zeit fährt kein Bus mehr nach Lyngseidet, wo ihr Boot vor Anker liegt.

 

Bereits hat er mit einem befreundeten Arzt aus Finnland, der teilweise in Lyngen Dienst tut, einen Plan ausgeheckt. Der Arzt solle sein Auto für Dario in Tromsö stehen lassen und eine Anhängerkupplung anschweissen. Von einer Baufirma will Dario dann einen Anhänger ausleihen, um das Gepäck, es sind zwei verpackte Fahrräder dabei, samt Familiengepäck zu transportieren. Und es muss am Dienstag sein, denn zwei Kinder müssen am Mittwoch in Lyngen zur Schule. Würden sie länger fehlen, müssen sie sich mit Formularen wieder neu anmelden. Ein mühsames Prozedere. Der geliehene Anhänger muss wieder zurück nach Tromsö. Hundertdreissig Kilometer ein Weg!

 

Diesen komplexen Plan, den Dario mit seiner Frau Sabine Minuten vor meinem Anruf beschlossen hat, kann ich für sie mit meinem Wohnmobil und Angebot in Luft auflösen. Auf ihre Bekanntschaft freue ich mich sehr und um diesen Weltenseglern einen Dienst zu erweisen. Ich bin wieder mal zur rechten Zeit am rechten Ort. Sooou schööön!

 

Fünf Taufen während des Abendmahlgottesdienstes lockern die Feier in der reformiert-lutherischen Arctic Cathedral in Tromsö (5.6.2022) nicht auf. Eine totgeweihte Generation versucht mit schwacher Stimme dem Klang und Tempo der Orgel zu folgen. Eine mittlere und eine jüngere Generation hält den Mund. Festlich erlebe ich diesen Pfingstsonntag nicht, obwohl die Pfarrerin beteuert: «Der Geist weht, wo er will.» Mein Gott, wie oft musst du dir das anhören, ohne dass wir uns von deiner Geistkraft bewegen lassen!

Oder ist deine Geistkraft bei der Aufnahmewilligkeit von Flüchtlingen in vielen Ländern am Werk? Bestimmt!

   

Im Moment eilt es gar nicht weiter nach Norden zu fahren. Auf der E6 vor Alta ist die Brücke über den Badderelva Bach eingeknickt. Keine gewaltige Brücke, aber einzig, wichtig. Kräftiges Schmelzwasser hat dem Brückenpfeiler zugesetzt. Die Brücke gleicht einer Skaterbahn. Da geht gar nichts mehr. Wer unbedingt nordwärts oder von Alta her südwärts fahren muss, macht einen Umweg von dreihundert Kilometern über Finnland.  

 

Die Schwörer`s sind von Helsinki herkommend rechtzeitig in Tromsö gelandet. Nicht so ihr Gepäck. Einige Teile fehlen, zB auch die zwei Schachteln Fahrräder. Also ist genug Platz da, ihr anwesendes Gepäck bei mir zu verstauen. Sabine fährt mit Alegra das Auto von ihrem Familienfreund, während Dario mit Noé, Mia und Vital bei mir Platz nehmen. (Das Gepäck soll jetzt von der Fluggesellschaft, es sei bereits in Oslo eingetroffen, bis zu ihrem Boot in Lyngen transportiert werden. Auch gut!) Alle freuen sich auf ihr sanft schwankendes Zuhause, das Boot Pachamama.

 

Ich darf noch etwas in Lyngen bei der Magic Mountain Lodge bleiben. Dario schickt mich am Morgen (8.6.2022) per Bike ans Ende der Welt: Kappanden heisst es hier am Lyngenfjord. Nach vierunddreissig Kilometern bin ich wieder zurück und jetzt geht`s daran, die gedeckte Veranda abzureissen, damit der Bau von aussen isoliert werden kann. Die Familie hat sich nämlich für wenig Geld am Lyngenfjord ein historisch altes Haus für die Wintermonate gekauft. Die Kinder gehen zur Schule, Sabine wird in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeiten und Dario geht eh schon seinem ersten Beruf als Berg- und Skitourenführer nach. Er hat in der vergangenen Saison über hundert Touren geleitet und so das tägliche Brot für die Familie erwirtschaftet.  

 

In ihrem Projekt haben «Die Schwörers» alle Weltmeere gekreuzt und jeweils auf einem Kontinent die höchsten Berge bestiegen. Dazu gehört der Aconcagua in Argentinien, der Denali in Alaska und auch der Mount Everest. Etwa vier Jahre sollte dieses Projekt für Umweltschutz und Klimaforschung dauern. Jetzt sind es bereits zwanzig Jahre nach ihrer Hochzeit und das Projekt ist noch am Laufen.

 

Wo auf allen Kontinenten sie an Land gehen, knüpfen sie Kontakte mit Regierungen und Schulen. Entfalten mit Kindern und Erwachsenen Umweltschutzprogramme, säubern mit ihnen eigenhändig Dörfer und Strände, um die Bevölkerung mit einem positiven Erlebnis zu mehr Achtung zu animieren. Sie halten Vorträge und vernetzen die Welt. Während der Coronazeit verlegten sie ihr Hauptgewicht auf Wasserproben im Norden für die Microbiologieforschung an verschiedenen Universitäten. Solarzellen werden getestet und andere Ausrüstungen zuhanden der Entwickler.

 

Das Familienleben mit sechs Kindern entfaltet sich. Bisher wurden die Kids auf dem Boot unterrichtet, indem zum Teil Lehrerinnen während Monaten mitsegelten. Die ältesten zwei Kinder besuchen nun das Gymnasium und leben in einem Schweizer Internat.

 

Ich komme gerade rechtzeitig zur Mithilfe an der Hausrenovation. Eine Veranda muss total abgebaut werden, das Holztäfer an den Aussenwänden runter, um das Haus ohne Kältebrücken aussen zu isolieren! Im Innern schleifen wir Holzwände. Weil die Chemie zwischen mir und der Familie stimmt, lernt Dario mich in diesen Tagen, wie man im Vilterser Dialekt in zweideutigem Sinne sagt: «als huere Schliefer» kennen. Die Familie ist toll drauf!  

Morgens um Acht (9.6.2022) bekomme ich einen Anruf von Betti, unser Schwager Sepp sei in dieser Nacht verstorben. Nach einem Treppensturz und Spitalaufenthalt haben sie ihn wohlerholt erst vergangen Dienstag in ein Ferienzimmer in einem Seniorenheim gebracht. Nach drei Wochen sollte er wieder alleine in seinem Haus in Vilters leben können. Und jetzt dieser unerwartete Abgang - wie von unserem Bruder Ernst im vergangenen Oktober und von unserer Cousine Rösli im März 2022.

 

Sepp sagte mir vor zwei Tagen: «Was mich betrifft, musst du dir überhaupt keine Gedanken machen. Mir geht es prima. Du kannst weiterhin auf Fahrt bleiben.» Jetzt aber mache ich mir Gedanken! Rückflug oder mehr wie dreitausend Kilometer zurück mit dem Womo? Ich entscheide mich für eine Rückfahrt, damit mein Zuhause da ist, wo ich bin.

 

Dank einer Kremation, wie Sepp es sich gewünscht, können die Verwandten den Beisetzungstermin etwas später als gewohnt ansetzen. So bleibt mir genügend Zeit, noch drei Tage bei meinen «Gast- und Arbeitgebern» in Lyngen zu verweilen und Einladungen auch von Nachbarn anzunehmen. Ein Nachtessen, ein Pizzaessen, eigenhändig kreierte Spezialität von Paul, dem Physio. Sooou schööön!

 

Weil mir Sepp in aller Vorsorge etwas Zeit lässt, binden Die Schwörer`s die Leinen der Pachamama, ihrem Expeditionsschiff, los und bringen mich auf dem Lyngenfjord zur Insel Aröya, im zweiten Weltkrieg eine Gefangeneninsel der Deutschen, Arbeitslager russischer Kriegsgefangener. Das windstille Wetter schenkt mir eine ruhige Nacht auf der Pachamama. Auf dem Rückweg werden Segel gesetzt und gewendet, wie der geringe Wind bei blauem Himmel es fordert. Sooou schööön!

 

Am Sonntag (12.6.2022) verabschiede ich mich in Lyngseidet von Sabine und Dario, Noé(13), Alegra(11), Mia(7) und Vital(5).     

Salina(17) und Andri(16) weilen fürs Studium in der Schweiz.

 

Von der Schweiz bis zu meiner Umkehr in Lyngen (Nordnorwegen) bin ich 4790km gefahren. Etwas kürzer wird wohl die direkte Rückfahrt (nach Ankunft in Vilters ergänzt: 3527 km).

Ich gedenke (12.6.2022) während ein paar Tagen ohne Abschweife zur Urnenbeisetzung von Sepp Winiger in die Schweiz zurück zu fahren. Heute sind es mal 552 Kilometer inklusive Schüttel und Rüttel. Bei Jokkmokk tauche ich unter dem Polarkreis durch. Mitteleuropa hat mich wieder.

 

Nach weiteren 710 Kilometern (13.6.2022) überwindet das Womo 299999 zu 300000km! In Verkehr gesetzt am 28.4.2011.

 

Am Morgen (14.6.22) kann ich eine Elchkuh im Wald fotografieren. Sooou schööön!

 

Nach dem Nachtessen lege ich nochmals fünfzehn Kilometer zu, um einen ruhigeren Platz zu finden. Da sucht eine Elchkuh eine Mitfahrgelegenheit, als ich just aus dem Wald vor Mon herausfahre. Mit brüskem Bremsen kann ich einen Schaden beiderseits verhindern. Für ein Foto reicht der Schreck, nachher ist die Kuh wieder weg. Sooou schööön! 

 

Tausend Kilometer in Nordschwedens Landmitte durch Fichtenwälder zu fahren würde ich bestimmt als eintönig empfinden, würden nicht so oft kleinere und grössere Seen aufblitzen und spiegeln. So anmutig in Mitten der Wälder. Sooou schööön!

 

Die Strasse führt dauernd hügelauf und hügelab. So zwischen zweihundert und fünfhundert Höhenmetern. Auf tausend Kilometer gibt (E45) das bestimmt tausende von Höhenmetern, die das Womo überwindet. 

 

Südlich von Mora öffnet sich das Land für Viehzucht und Getreideanbau. Ein ganz anderes Bild von Schweden. Elche vergnügen sich also auch in Getreidefeldern.

Ich wollte eigentlich am dritten direkten Fahrtag eine kürzere Strecke einlegen. Nun sind es doch wieder 576km geworden.

 

Von Helsingborg (Schweden) nehme ich mit Punktlandung die Fähre nach Helsingör (Dänemark). Zwanzig Minuten ausruhen. In Middelfart (15.6.2022), wo ich die Nacht verbringe, sind es wiederum 570 Tageskilometer.

 

Was gibt es Schöneres als nach einer kurzen Fahrt von 227 Kilometern (16.6.2022) sich bei Reisefreunden von den happigen Streckentagen auszuruhen, Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen, aber auch über völkische und weltpolitische Ereignisse zu reden. Bornhöved D, wo Telse und Claus herzlich Gäste empfangen, hängen stets Kontinentalkarten im Wintergarten, die Erlebtes hervorholen und Künftiges hervorrufen. Sooou schööön!

 

Eigentlich sind es nur 550 Kilometer nach Bad Kissingen, wo die Reiseleiterin Janette beim Allradtreffen nach Bekannten in der Nähe Umschau hält. Da fahre ich gern hin, um diese Superreiseleiterin von der Panamericana zu treffen. Bis dahin sitze ich aber neun Stunden im Fahrersitz, da ich zwischen Hamburg und Hannover bei zwei Baustellen zwei Stunden lang im Stau stehe.

 

Auf den Wiesen in Bad Kissingen stehen hunderte Fahrzeuge. Keine Chance Janette`s Fahrzeug zu finden. Also kommt sie mich beim Empfang abholen. Sie findet sogar ein Plätzchen für mich im wilden Chaos der gewichtigen Welteroberer. Sooou schööön!

Janette hält sogar einen Aprikosenkuchen für die Runde mit den Explorerleuten bereit und jede Menge Wein. Beides ausgezeichnet! Explorer schreibt interessante Artikel über Afrika.  

Janette begleitet mich auch zu Abenteuer Ost, wo ich auf Sandra Grabo treffe. Sandra ist zuständig für die Verschiffung bei Seabridge. Damit hatte sie in meinem Fall mit Argentinien 2020 viel zu tun und sogar über die Ostertage in Deutschland gearbeitet. Sooou hilfsbereit!

 

Kostia, dieses Reiseleitergenie von Abenteuer Ost, erkennt mich sofort beim Namen. Auch mit ihm habe ich ein herzliches Wiedersehn. Wir haben uns nebst der allgemeinen Vorbereitungsrunde nur einmal in der Mongolei getroffen, als er mit seiner Allradgruppe auf dem Landweg nach Australien war. Ich hatte in der Wüste das Kabelbaumproblem, wodurch der Motor zwei Tage lang nicht mehr anspringen wollte. Was sich bei Kostia von meiner Person so tief eingeprägt hat? «Du warst bei der Panne, die ohne Aussicht auf Besserung lange angedauert hat, dermassen gelassen! Das hat sich bei mir fest eingeprägt,» sagt Kostia. Sooou schööön!

 

Mal schauen, ob ich mit der ersten kleinen Panne auf der Skandinavientour fertig werde? Das Fenster der Fahrertüre lässt sich nicht mehr schliessen! Zwei milde Faustschläge auf den Türrahmen lösen einstweilen das Problem.

 

Beim Wenden auf dem Campergelände für hochbeinige Saurier folgt das wirkliche Drama. Das Womo sitzt am Überhang auf, kratzt an einem Stein und schon ist die Querleiste am Hintern abgerissen. Die Zuschauenden kreischen, weil das Teil am Boden liegt und ich vorerst unbeachtet weiterfahren will. Wiederum staunen die Welteroberer über meine Gelassenheit, als ich das Teil am Boden betrachtend ruhig sage: «Ja, das gehört alles zu meinem Wohnmobil». Panzerband löst, besser gesagt, klebt das Problem auf der Stelle und das auch dank einem freiwilligen Helfer! Blinker und Rückfahrlichterkontrolle. i.O. Es kann weitergehen. Sooou schööön!

 

Bei der Tageshitze von über dreissig Grad mache ich eine Trinkpause. Ein Lastwagenchauffeur muss eine Rohrverbindung reparieren und fragt um eine grosse Zange. Sofort habe ich eine Rohrzange zur Hand. Sein Lächeln, begleitet von einem Ooooh, entspringt dem Gefühl eines Erlösten! Sooou schööön!  

 

Das einzige Malheur auf der 8317km langen Skandinavien Reise wird sich in Vilters (ab 18.6.2022) eigenhändig reparieren lassen. Vorläufig überlasse ich alle Strassen und Plätze den Sommertouristen und bleibe vor Ort.

 

Bei meinem Schulkameraden Reto Schwörer und Ottavia treffe ich am Sonntag auf Andri, den zweitältesten Sohn der Bootsleute. Andri wird während der Sommerferien mit seiner Familie bei Lyngseidet/Norwegen die Renovation des Hauses vorantreiben. So schliesst sich mein Kreis der Skandinavien Tour. Sooou schööön!

 

Am 25. Juni nehmen wir in Kriens Abschied von unserem Schwager Josef Winiger. In der Traueranzeige steht sehr treffend geschrieben:

Gedanken an deine feinfühlige Art, Ernsthaftigkeit und Spass zu vereinen, zaubern uns selbst in unserem Schmerz ein Lächeln auf die Lippen. Es gibt uns die Kraft, dich nun gehen und in Frieden ruhen zu lassen.  

 

  

 

 

2022 Mai T2

 

Gibt es Übertragungen, welcher Art? Letzte Nacht (Hofles, 18./19.5.2022) kam mir plötzlich in den Sinn, im Ernstfall hätte ich gar keine Patientenverfügung, beziehungsweise keine Adresse einstecken, wen man anrufen soll, falls ich verunfallt bin oder nicht sprechen kann. Geregelt habe ich diese Dinge, aber eben, ich müsste die Daten auf mir tragen!

Warum spreche ich von Übertragungen?

 

Just letzte Nacht, als ich solche Gedanken hegte, ist mein Schwager Sepp nach einer Versammlung eine Treppe hinuntergestürzt und hat sich fest verletzt. Mein Bruder Paul war glücklicherweise dabei und hat alles Nötige für das Krankenauto einleiten können.

 

Als ich davon höre, kommt in mir die Frage auf, habe ich unbewusst zeitnah, doch 3000km entfernt etwas davon mitbekommen oder ist das alles reiner Zufall. Ich neige zu Ersterem.

 

Die Hauptstrassen in Norwegen sind durchweg geteert, aber schmal. Beim Biken sehe ich einen Lastwagen mit dem hinteren Teil im Strassengraben. Man kommt schnell vom Weg ab.

 

Für unterwegs habe ich nur eine grobe, sehr alte Strassenkarte dabei. Sie hilft mir im Detail wenig. Heute beschäftige ich mich stundenlang mit Varianten von befahrbaren Strassen, Fjorden, Fähren und Möglichkeiten für meinen weiteren Weg, eventuell auch Rückweg, sollte sich der Gesundheitszustand meines Schwagers wesentlich verschlechtern. Zugegeben, solche Unfallmeldungen beschäftigen Geist und Seele, entwickeln Notszenarien.

 

Als Strassenkarte arbeitet bei mir Google Earth, aber eben nur, wenn ich wie jetzt auf dem Camping Internet habe. Unterwegs ist dann das GPS mein Freund und Helfer.

 

Im Nu sitze ich am Polarkreis (21.5.2022). Hier liegt noch viel Schnee, obwohl es schon mal 12 Grad (nachts 4°C) warm ist. In Teilen der Schweiz zurzeit 32 Grad! Dass so viel Schnee liegt, schuldet nicht dem nördlichen Breitengrad 66°33, sondern der Höhe von 700 Metern. Ein stückweit nördlicher fällt die Strasse von 700m wieder auf Meereshöhe ab und die Wiesen, Büsche und Bäume werden wieder grün wie im Frühling.

 

Ich bin bewegt, immer wieder in diese Schneelandschaften zu schauen, wo erst der Huflattich haufenweise den Wegrand gelb schmückt. Wie schön wäre es, hier Skitouren zu laufen! Ich muss mich wegen der Osteoporose mit Tourenerinnerungen begnügen. Das wird mir an solch einladenden Orten sehnlichst bewusst.

 

Gabi und Meinrad schippern mit ihrem fünfzehn Meter langen Gespann von Moskenes auf den Lofoten nach Bodö (3h15min), wo wir uns kurzfristig verabredet haben. Meinrad ist der Sohn meines Schulkameraden aus dem Heimatort Vilters. Dass wir uns in gegengesetzter Fahrrichtung nicht verpassen! Sooou schöön!

 

Am 24.5.2022 fahre ich mit der Fähre von Bodö auf die Lofoten nach Moskenes, wie ich es im Juli 2013 mit Jasmin, Timo und Beat getan habe. Sechs Kilometer weiter liegt Reine, mein Lieblingsort auf den Lofoten. Mein ganzer Körper zittert vor Aufregung, Ergriffenheit und Ehrfurcht beim Blick auf das kleine, farbige Dorf, eingebettet zwischen schwarze, schroffe Felswände, sanft umspült vom Meer. Sooou schööön!

 

Beim Surfercamp in Flakstad stehen auffallend viele kleine VW-Busse und Ähnliche auf der grünen Wiese. Offenbar ein Mekka für Surver mit Sandstrand und Untiefen weit hinaus. Am Wind fehlt es nirgends an der Westküste von Norwegen.

 

Nusfjord ist ein altes Fischerdorf, das abseits von der E10 auf Menschenfischer umgestellt hat. Für das Anschaffen und Verarbeiten von Fischen gibt es geeignetere Orte als diese Enge Stelle. Eindrücklich sind die alten, technischen Geräte wie Morse, Funk und Telefon, mit denen wahrscheinlich einige Leben gerettet wurden.

 

Grosse Steinkugeln liegen in der sandigen Bucht von Uttaklev. Vor dem Tunnel zur Bucht vergnügen sich Feiertags-Strandläufer auf zwei weiteren Sandstränden ohne Kugeln. «Feiertags-Strandläufer»? Heute ist Christi Aufnahme auch in Norwegen ein Feiertag. Ich feiere privat mit Taizéliedern.

 

Diese Orte liegen nur ein paar Kilometer voneinander entfernt. So packe ich am Nachmittag noch das Lofotr Vikingermuseum in Borg. Riesiger Holzpalast für einen Fürsten, wenn ich mir vorstelle, dass das Original von diesem meisterhaften Nachbau bereits um 800 n.Chr. da stand.

 

Überrascht bin ich auch von der Grösse des Bobilparkplatzes im Niemandsland von Lyngvaer, wo ich wieder einmal starkes, freies Internet geniesse.

 

Gehe ich mit der Sonne ins Bett und steige mit ihr wieder raus, bleiben mir Ende Mai bei dieser nördlichen Breite gerade mal eineinhalb Stunden Schlaf! Das schafft auf die Dauer nur die Sonne, ich nicht! Die sonnengemässe Schlafenszeit wird noch kürzer, je nördlicher und näher dem 21. Juni.

 

Unglaublich viele Norweger auf den vereinzelten Höfen haben ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen stehen. Müssen Norweger die idyllische Stille und Einsamkeit (egal ob hineingeboren oder zugewandert) vom verstreuten Wohnen dann und wann abstreifen und anderer Sehnsucht Platz machen?

 

Ein Elchpaar im Gebüsch nahe der Strasse bringt mein Blut in Wallung. Diese seltsam begrindeten Tiere sind selten zu sehen, scheu wie Rehe, obwohl sie einem von der Körpergrösse her weit überragen und mit ihren Hufen in die Flucht schlagen könnten.

 

Der Regen hört nach meiner Ankunft in Andenes, dem nördlichsten Zipfel der Inselgruppen von den Lofoten und Vesteralen (28.5.2022) auf. Ich fühle mich zutiefst glücklich und dankbar in dieser freien Natur die Gebirge, die Moore und Landschaften, die Seen, das Meer und die Inselchen im Meer zu bestaunen. Tagtäglich sooou schööön!

 

Eine Stunde lang begleiten wir Dutzende Pilotwale auf der Walsafari in Andenes. Es sollen da draussen hunderte vorbeiziehen. Unser Ausgangspunkt ist deshalb günstig, weil von Andenes aus wir uns sofort im offenen Meer bewegen. In einer halben Stunde Schnellboot sind wir direkt im Walzug nach Norden (31.5.2022).

 

Die Begleiterin forscht vor allem an Spermwalen (Pottwalen). Die Männchen sollen mit 16 Metern und bis zu 55 Tonnen die grössten Zahnwale sein. Bei Spermwalen macht der Kopf ein Drittel des Körpers aus. Darin ist bis zu zwei Tonnen an Sperma erinnernde ölige Flüssigkeit gelagert über deren Zweck die Forscher noch rätseln. Vermutlich zum Regulieren des Tauchvorgangs von normalerweise 500 Metern, aber sogar bis tausend und dreitausend Meter Tiefe. Pottwale erzeugen mit 174 Dezibel menschliches Trommelfell zertrümmernde, sehr starke Klicklaute, die für menschliche Technik kilometerweit messbare sind.

 

Mein Schwager Sepp bleibt nach seinen jüngsten Aussagen noch eine Woche im Spital. Er trägt sechs Wochen lang einen Halskragen, was bedeutet, dass er nach dem Spitalaufenthalt für drei Wochen ein Ferienzimmer in einer Institution sucht, die zumindest behilflich sein kann, den Kragen nachts zu lösen und morgens zu fixieren. Geduld hat er, erträgt alles, erduldet alles und ist guter Hoffnung. Gute Besserung!

 

 

 

2022 Mai Teil 1 (bis 18.5.)

Am Sonntag, 1. Mai besuche ich einen Gottesdienst der katholischen Diaspora in Trappenkamp (Schleswig Holstein). Mir fällt an solchen Gottesdiensten immer mehr auf, wie die ausführlich gestaltete Liturgie mit allen Formeln, Texten, Symbolen und Handlungen sich selber feiert. Der Priester spielt seine Rolle in der liturgisch festgefügten Form und das Volk dient dazu, seine ihm zugedachte Rolle zu spielen. Es fehlt eine Vereinfachung, eine Entkrustung der Vorgänge. Stell dir vor, da versammelt sich eine ganze Gemeinde, doch ohne Priester geht gar nichts! Was für eine Armut. An dieser «fachmännischen Verwaltung» des geistlichen Schatzes und dem hilflosen Umgang damit taucht die katholische, die reformierte und die orthodoxe Kirche zusehends ab.

Bei Ruser`s wird unser Zelt abgebaut! Das Inventar verstaut, teils zurückgebracht. Nach diesem Einsatz verlasse ich mit den bis zu Letzt verbliebenen HelferInnen am Dienstag, 3. Mai die Gastgeber Telse und Claus in Bornhöved.

Mit kleinen Hundertkilometer-Schritten ziehe ich nordwärts. Schleswig, Middelfart, Kopenhagen. Mit dem ersten Camp-Versuch bin ich auf dem DSU-Absalon Camp in Kopenhagen (5-9.5.2022) ideal gelandet. Ruhige Lage und fünfzehn Minuten per S-Bahn in die Stadt. Da laufe ich drinnen gleich die Schuhsohlen durch und knipse Fotos. Die Horden von Velofahrern und Fussgängern halten sich gegenseitig an die speziellen Ampeln und ihre grosszügig angelegten, getrennten Fahr- und Gehstreifen. Die Stadt lebt unglaublich. Ich sehe keine Masken. Das weckt in mir sogar Bedenken, ob die Dänen zu freizügig sind? Vermutlich geht es den Sehbehinderten schlecht in diesem Menschengewirr. Ich sehe keine auf der Strasse.  

Christiania nennt sich ein vor einundfünfzig Jahren von Aussteigern besetztes militärisches Gelände, das sie dem Militär später zum Teil für das Bleiberecht abgekauft haben. Wenn das, was ich sehe, die Selbstverwaltungs-Altarnative zu einer modernen Grossstadt ist, so nenne ich das nicht Oase der Freiheit, sondern Kloake der Freiheit. Die Idee der «Gründer» mag aussteigerisch interessant sein, nicht aber auf diesem flachen Niveau. Eine Alternative zur Grossstadt kann doch nicht naive Primitivität sein. Das Gaffen von hunderten von Touristen, die täglich auf ein Bier dort vorbeischlendern, trägt zum materiellen und sich-wichtig-fühlenden Überleben der Siedlung bei. Für den Drogenverkauf gibt es an der Pusher Strasse etwa zwanzig mit Militärnetzen auffällig «getarnte», improvisierte Kioske mit maskierten Verkäufern darin. Striktes Fotoverbot im Bereich der Szene. Die Kommune nimmt die meiste Infrastruktur von der Stadt in Anspruch: ZB Wasser, Strom, Abfallbeseitigung, Öffentlicher Verkehr, Schulen, Spitäler und was auch immer. Um den Geist der Kommune zu wahren und den wechselnden Problemen anzupassen, werden Versammlungen abgehalten. Nicht das individuelle Bedürfnis stehe im Vordergrund, sondern das Wohl und Zusammenleben der Kommune. 

Marc, der Sohn meines Neffen Stefan und Judith, verbringt Studientage in Kopenhagen. Mit ihm und drei seiner Kollegen (Nicki, Dominik, Dominik) treffe ich mich am NyPort (neuer Hafen), der farbigen Restaurantstrasse zum Mittagessen, bevor sie in die Schweiz zurückfliegen. Marc empfiehlt mir das Reffen zu besuchen. Das Reffen ist eine Fress- und Trinkbudenansammlung auf einem Hafengelände. Sonntags gerangelt voll und so soll es jeweils auch nachts sein. Dauerfestbuden und -hallen!   

Die Kartenautomaten für die S-Bahnen sind mühsam und langsam zu bedienen. Zweimal gebe ich es fast auf und überlege mir das Schwarzfahren. Zwei Mal von acht Fahrten werde ich kontrolliert. Glück gehabt.

Vom Reffen in die Stadt fährt der Bus 2A. Reffen ist die letzte Bushaltestelle und ohne Ticketautomat. Ein Ticket kann ich beim Chauffeur aber nur mit Kleingeld lösen, keine Kreditkarte und keine Euros. Nur dänische Kronen. Solche habe ich nicht, weil ich bisher alles mit Karten bezahle. Der junge Buschauffeur sieht mein Dilemma und sagt: «Setz dich ruhig hin. Du kannst mitfahren». «Ich muss aber bis zum Hauptbahnhof, das sind viele Haltestellen», ergänze ich. «Schon klar, setz dich ruhig hin». Ich füge mich, - nicht ganz. Ich strecke ihm eine Fünfeuronote hin mit der Bitte, diese für seine Freundlichkeit zu akzeptieren. Er will nicht annehmen und entgegnet: «Kauf damit was Schönes für deine Enkel». Erst als ich ihm erkläre, weder Frau noch Enkel zu haben, kann ich mich ohne Note von ihm entfernen. Beim Abschied am Hauptbahnhof zwinkern wir uns verschmitzt zu. Sooou schöön! 

Zwei angebliche LPGas-Tankstellen in Kopenhagen führen ins Leere. Dafür aber lerne ich weitere Teile der Stadt kennen. Es gibt noch viele attraktive Parks und kleine Seen ohne Touristen. Mit dieser Stadt bin ich noch nicht am Ende, verlasse sie aber für dieses Mal in Richtung Schweden/Malmö (9.5.2022). Zuerst unter Wasser durch den Drogdentunnel, dann über die aus dem Bohrschutt künstlich im Meer aufgestaute Insel Peberholm und weiter über die elegant geschwungene hohe Öresundbrücke, 16 km insgesamt. Auch die Eisenbahn führt da runter und rüber.

Daten zur Brücke: 57m lichte Höhe. 204m architektonische Höhe. 7,845 km lang. 490m längste Spannweite. Von 1995 – 2000 für ca 2,8 Milliarden Euro gebaut.

Eine kleine Velotour (10.5.2022) vom Skärhults Camp aus führt mich zu historischen Städten mit Steinringen und Grabstätten, Hütten aus dem vorletzten Jahrhundert und Zeugnissen aus der Eiszeit.

Gut, dass ich am Vormittag bike. Am Abend fällt die Temperatur auf 12 Grad und seit mehr als drei Wochen regnet es auf meiner Tour zum ersten Mal. --- Diesen Abschnitt streiche ich gleich wieder. Es regnet nur zirka drei Stunden lang und nicht heftig. Also nicht erwähnenswert.  

In Nora wurde die erste Normalspur-Eisenbahn Schwedens eingeweiht. Das Bahnhofgebäude und -Areal ist heute ein Museum.

Dem Weg entlang von Nora - Sund – Bondbyn – Lindesberg – Öskevik – Born – Nora (60 km e-bike) gibt es immer wieder Naturparks mit wilden Wasserläufen und Gestrüpp für Vögel. Auf offenen Weiden vereinzelt Rehe und Kraniche. Sooou schööön!

Von Nora weg entschliesse ich mich mitten durch Schweden hochzufahren, weil ich diese Mitte von Schweden noch nicht kenne. Mora - Östersund (13.-14.5.2022).

Freitag, der Dreizehnte ist mein Tag. Ich kann zwei Kraniche fotografieren. Bald danach kreuzt mein erster Elch in einer Waldweglichtung. Heia! Was für ein Gefühl! Vom Fotografieren hält er nichts und verschwindet unweit im Wald.

Ich bin von dem offenen Land in Mittelschweden, den unzählbaren Seen, den Wäldern und weit herum verstreuten, hübsch bemalten Holzhäusern und Höfen angetan.  

Von Östersund quere ich Schweden in Richtung Westen, Trondheim, Norwegen (14.5.2022). Mein Herz begehrt Fjorde zu sehen.

Nach einer weiteren wild geparkten Nacht, das erlebe ich bisher hierzulande problemlos, packe ich das Bike aus, um mich nach einem Camping umzuschauen. Zweiundzwanzig Kilometer sind es von einem Tunnel, wo ich mich mit dem grossen Womo nicht mehr weiter getraue bis zur Spitze der Halbinsel Frosta. In Hauga liegt ein grosses Camp, das mir nirgends angegeben wird. Viele Camps erliegen noch der Winterstarre. Das Hauganfjaera ist eigentlich auch geschlossen, aber heisst mich willkommen, hat eine Waschmaschine und gutes Wlan! Da werde ich sicher drei Tage bleiben, um die Annehmlichkeiten von Heizen mit Strom zu geniessen. Propangas (LPG) finde ich in Schweden und Norwegen nur selten. Darum will ich es nicht verheizen und möglichst zum Kochen sparen. Schliesslich muss ich nirgendwo hin, ich kann verweilen, wo ich es schön finde. Sooou schööön! 

Jaja, die Sprachen! Ich will mal wissen, was für ein besonders Camping in Norwegen ein Bobil Camping ist. Nichts Besonderes: Bobil heisst Wohnmobil (Womo). In USA und Kanada heisst es RV (sprich: ar wi und meint Recreation Vehicle, was bei mir nicht immer dem Namen entspricht).

Im Hinblick auf die Breitengrade habe ich die Südspitze von Island erreicht. Am Polarkreis bei Mo i Rana werde ich die nördlichste Breite von Island verlassen.

Am 16. Mai klart der Himmel gegen Abend total auf. Ein Norweger stellt sein Womo neben meines und meint: Morgen, der 17. Mai, ist Nationalfeiertag. Alle Norweger feiern!

Upps. Davon wusste ich nichts. Sofort tue ich dem Land die Ehre an und informiere mich über den Verfassungstag, den 17. Mai (1814).

Norwegen gehörte in einer Union zu Dänemark. Das gefiel den Schweden und Briten nicht. Streitigkeiten und Verhandlungen führten zum Kieler Frieden 1814. Vereinbarung: Norwegen gehört jetzt nicht mehr in Union zu Dänemark, sondern in Union zu Schweden! Dazu erhält Norwegen am 17. Mai 1814 seine eigene Verfassung zu einer parlamentarischen Monarchie. Seine heutige Unabhängigkeit bekommt Norwegen aber erst bei der Auflösung der Union mit Schweden im Jahr 1905.

Heute ein Volksfest im ganzen Land, ein Riesending. Das war bei der Gründung 1814 und Jahre danach nicht so. Der König witterte Aufstand und verbot den Verfassungstag volkstümlich, bäuerisch zu feiern. Über Jahre wollte nichts Rechtes aufkommen bis der politische Hintergrund zum Ärger der Initianten in Vergessenheit geriet. Das Volk organisierte sich sein entpolitisiertes Volksfest vom 17. Mai. Das funktioniert mehr oder weniger seit 1830. König Harald V (seit 1991) feiert heutzutage bedenkenlos mit.

Nationalfeiertag! Was sage ich bloss zum 1. August? Der Rütlischwur wurde bis ins 19. Jahrhundert nach einer Chronik aus dem Mittelalter auf den 8. November 1307 datiert. Opala! Erst durch den wiederentdeckten Bundesbrief in Schwyz, der den ersten Zusammenschluss der Urschweizer Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden bezeugt, wurde das Datum vom 8. November 1307 angezweifelt. Im Bundesbrief wird der Zusammenschluss «auf Anfang August 1291» datiert. So wird seit 1891 der Nationalfeiertag in der Schweiz auf den 1. August verlegt. Damals nicht ohne Widerstand. Wer weiss das, und wen kümmert das heute noch? Hauptsache ein freier Festtag! 

So. Jetzt kann der Nationalfeiertag, der 17. Mai in Norwegen kommen. Ich weiss Bescheid. Da ich an einer Halbinselspitze hocke, bekomme ich fast nichts mit. Nur an die drei ankommenden norwegischen Bobils werden sofort Fähnchen gesteckt. Beim Biken sehe ich, fahrende Autos sind beflaggt und meist auch die Wohnhäuser. Die meisten Fähnchen flattern auf dem grossen Friedhof von Alstad im Wind.

Kein Fähnchen weht bei den Felszeichnungen/Petroglyphen von Evenhus, zwei Kilometer hinter mir. Mich faszinieren solche Zeugnisse aus der Steinzeit, die bis zu 8000 Jahre vor meinen digitalen Berichten geschrieben wurden und heute noch sichtbar sind.

Kein Fähnchen weht beim Steinkreis in Logtun, gleich fünf Kilometer hinter mir. Dieser Steinkreis ist auch erst hundert Jahre alt und wurde 1914 zum hundertsten Jahrestag des Staatsvertrages Norwegens (1814) mit zwölf Steinen aussenrum als Symbol für die zwölf Bezirke des Königreiches aufgestellt. Am kleinen Hügel, wo dieser Steinkreis steht, fanden schon seit dem Mittelalter politische Gesetzgebungen und Gerichte statt. Eigentlich wäre das «die Rütliwiese Norwegens» und müsste beflaggt sein. Aber eben, der Nationalfeiertag ist entpolitisiert. Hauptsache ein freier Festtag!

Seit drei Tagen stehe ich am selben Ort mit demselben Ausblick auf den Trondheimer Fjord. Vertrautheit braucht Zeit. Nach drei Tagen und hellen Nächten fühle ich mich hier total zu Hause. Soll ich Morgen wirklich weiterfahren oder hier zu Hause bleiben?

Ich entscheide mich ein Rentier zu jagen, dreissig Kilometer von Steinkjer landeinwärts. Man nennt es das Bölanrentier. Es weilt schon seit 6000 Jahren hier. Ein Meister seines Faches und eine Ausnahme hat das Rentier naturalistisch an die Felswand gemalt.

Nach einer langen Betrachtung beim Rentier, kommt mir doch der Gedanke, die Nacht bleibe recht hell. Ich könnte ja noch weiterfahren. Gedacht getan. Um fünf Uhr abends (18.5.2022) fahre ich weiter auf die E6, was eine «schnelle Strasse» nach Norden bedeutet. Ich zögere unterwegs Diesel zu tanken und muss dann wirklich noch eine Strafrunde von zehn Kilometern einlegen. Denn ich entscheide mich die 776 zu fahren. Aber nicht ohne vorher zu tanken. Ein dünnes Strässchen durch Täler und über Hügel. Der Schnee liegt noch an der Strasse, obwohl ich jeweils nicht über zweihundert Höhenmeter überwinden muss. Norden halt. Unterwegs zweifle ich wirklich, ob sich die Verhältnisse je etwas breiten. Mehr wie vierzig Stundenkilometer kann ich nicht fahren. Nachts um neun komme ich bei der Fähre Geisnes-Hofles an. Beim Kvisterö Fjordcamping angekommen, wünschte ich mir eine Schulter-Nacken-Massage, nicht wegen der Anzahl Kilometer, sondern wegen der dauernden Konzentration. Doch da ist niemand! Der Blick auf das dunkle, verhangene Meer ist sooou schööön!

 

 

 

2022 April

  

Genau vor zwei Jahren bin ich von Argentinien herkommend in Zürich gelandet und in den Flumserbergen in freiwilliger Quarantäne verschwunden. Heute (19.4.22) fahre ich los nach Norddeutschland, um dort anfangs Mai meine coronabrüchigen Panamericana-Reisefreundinnen und -freunde zu treffen. Telse und Claus laden auf ihrem Parkgelände privat zu diesem Treffen ein. Sooou schööön!

 

Mein Womo fährt blitzsauber. An der deutschen Grenze suche ich den KÜS/TÜV auf. Die verpassen meinem Womo eine grüne 4 Plakette. Jetzt darf ich in alle deutschen Städte mitten hineinfahren.   

  

Das Prämonstratenzerkloster Rot a.d. Rot birgt heute ein Jugendzentrum der Diözese. Die verstaubten Reliquienschreine auf den sechs Seitenaltären erwirken den Eindruck eines Gruselkabinettes. Der Chorraum ist von solchen Zugaben gereinigt und reicht Dank dem Chorgestühl tief nach vorn.

 

Das Limesmuseum in Aalen weist mich mitten in der Stadt erst mal ab, da wegen einer Baustelle die Womo-Stellplätze aufgehoben sind. In Wasseralfingen, dem Nachbardorf, finde ich einen grossen, ruhigen Parkplatz, wo ich drei Tage und Nächte unbehelligt stehen bleibe.  

 

Das UNESCO Limesmuseum in Aalen ist sehr beachtenswert aufgebaut. Der Limes war kein eigentlicher Verteidigungswall, sondern ein Zollwall gegen Waren- und Menschenschmuggel. Der gegenseitige Warenhandel der Römer mit den Barbaren musste für die Abgaben durch diese Tore hindurch. Das Römische Reich zog mit der Zeit wegen seines höheren Lebens- und Bildungsstandes die Barbaren an.  

 

Die tollsten Funde hat man in Brunnen gemacht, in denen alle möglichen Utensilien bei Gefahr versteckt und später verschüttet wurden. Nicht nur Keramik und Schmuck, sondern auch Lederschuhe und Sandalen blieben erhalten.

 

Im Gebiet der Ostalb, wo ich jetzt bin, gibt es viele toll beschilderte Fahrradwege den Limes entlang. Nach fünfzig Kilometern Fahrt komme ich eben von dem gepflegten Ort Ellwangen zurück.

 

Dem Ellwangen Limes Radweg lege ich (21.04.2022) noch zu und komme nach einundsiebzig Kilometern über hügelige Gegenden und sanfte Ebenen Limes-Grenzmarken entlang nach Wasseralfingen zurück.

 

Die Comburg bei Schwäbisch Hall ist mein nächstes Ziel, das ich mit dem Womo auf Talesebene entlang der mäandernden Kocher erreiche. Die ehemalige Benediktiner Klosteranlage auf einem Felsvorsprung verteidigt sich geschichtlich gegen die Reformation. Keine erhebende Sache.

 

Michael, mein Firmpatenjunge aus Nürnberg wohnt in Gerbrunn bei Würzburg. Wegen Notfalldienst – Schlafen – und Unfall einer Freundin gibt es kein Wiedersehn. (24.04.2022). Das war`s dann!

 

Das hübsche Fachwerkstädtchen Hannoversches Münden (25.04.2022) liegt an der Gabelung der Fulda und der Werra. Wo diese beiden Flüsse zusammentreffen, bildet sich eine Halbinsel. Nach ihrem «Kuss» fliessen die Beiden als Weser weiter!

 

Nördlich Hamburg fahre ich über Land in der Hoffnung ein schönes Plätzchen zu finden, wie es bisher zwischen Ulm und Würzburg möglich war. Hier geht nichts! In Bad Segeberg ist wegen Regen das Camping für über 3,5 Tonnen gesperrt. Bleibt mir noch der Wegrand bei Tensfeld.

 

Das Camping Seeblick in Dersau (27.04.2022) am Plönersee wiegt alles auf. Hier bringe ich das Womo und die Wäsche in Ordnung, denn morgen geht`s zum Panamerikana-Treffen bei Telse und Claus in Bornhöved südl. Kiel (28.04.2022).

 

Am Nachmittag stehen zwölf Wohnmobile auf Ruser`s Parkwiese! Die meisten sehe ich seit meinem traurigen Abgang an Weihnachten 2019 in Mendoza/Argentinien zum ersten Mal in aller Fröhlichkeit wieder.

 

Telse und Claus haben ein riesiges Sägewerk in Bornhöved aufgebaut und jetzt drei Söhnen übergeben. Verarbeitet wird lediglich Fichte aus der Umgebung. Im Juni 22 werden sie 50 Jahre Holz Ruser feiern. Ein beeindruckendes Werk mit hundertdreissig Mitarbeitern.

 

Bad Segeberg (30.04.2022) besuchen alle Camp-Freunde am Samstag zum Einkaufen auf dem Markt. Ein hübsches, halbstündiges Konzert am Markt in der Marienkirche schenkt volle Ruhe. Anschliessend geht`s zu Fuss über zehn Kilometer Wanderwege rund um den Segeberger See. Geschafft im doppelten Sinn kehren wir mit Ruser`s Bussen nach Bornhöved zurück. Das ganze Treffen ist sooou schööön und dauert noch an.    

   

 

2022 Mai Teil 1 (bis 18.5.)

 

Bild nebenan von Frauenkloster auf der Insel Tautra, Norwegen

 

Am Sonntag, 1. Mai besuche ich einen Gottesdienst der katholischen Diaspora in Trappenkamp (Schleswig Holstein). Mir fällt an solchen Gottesdiensten immer mehr auf, wie die ausführlich gestaltete Liturgie mit allen Formeln, Texten, Symbolen und Handlungen sich selber feiert. Der Priester spielt seine Rolle in der liturgisch festgefügten Form und das Volk dient dazu, seine ihm zugedachte Rolle zu spielen. Es fehlt eine Vereinfachung, eine Entkrustung der Vorgänge. Stell dir vor, da versammelt sich eine ganze Gemeinde, doch ohne Priester geht gar nichts! Was für eine Armut. An dieser «fachmännischen Verwaltung» des geistlichen Schatzes und dem hilflosen Umgang damit taucht die katholische, die reformierte und die orthodoxe Kirche zusehends ab.

 

Bei Ruser`s wird unser Zelt abgebaut! Das Inventar verstaut, teils zurückgebracht. Nach diesem Einsatz verlasse ich mit den bis zu Letzt verbliebenen HelferInnen am Dienstag, 3. Mai die Gastgeber Telse und Claus in Bornhöved.

 

Mit kleinen Hundertkilometer-Schritten ziehe ich nordwärts. Schleswig, Middelfart, Kopenhagen. Mit dem ersten Camp-Versuch bin ich auf dem DSU-Absalon Camp in Kopenhagen (5-9.5.2022) ideal gelandet. Ruhige Lage und fünfzehn Minuten per S-Bahn in die Stadt. Da laufe ich drinnen gleich die Schuhsohlen durch und knipse Fotos. Die Horden von Velofahrern und Fussgängern halten sich gegenseitig an die speziellen Ampeln und ihre grosszügig angelegten, getrennten Fahr- und Gehstreifen. Die Stadt lebt unglaublich. Ich sehe keine Masken. Das weckt in mir sogar Bedenken, ob die Dänen zu freizügig sind? Vermutlich geht es den Sehbehinderten schlecht in diesem Menschengewirr. Ich sehe keine auf der Strasse. 

 

Christiania nennt sich ein vor einundfünfzig Jahren von Aussteigern besetztes militärisches Gelände, das sie dem Militär später zum Teil für das Bleiberecht abgekauft haben. Wenn das, was ich sehe, die Selbstverwaltungs-Altarnative zu einer modernen Grossstadt ist, so nenne ich das nicht Oase der Freiheit, sondern Kloake der Freiheit. Die Idee der «Gründer» mag aussteigerisch interessant sein, nicht aber auf diesem flachen Niveau. Eine Alternative zur Grossstadt kann doch nicht naive Primitivität sein. Das Gaffen von hunderten von Touristen, die täglich auf ein Bier dort vorbeischlendern, trägt zum materiellen und sich-wichtig-fühlenden Überleben der Siedlung bei. Für den Drogenverkauf gibt es an der Pusher Strasse etwa zwanzig mit Militärnetzen auffällig «getarnte», improvisierte Kioske mit maskierten Verkäufern darin. Striktes Fotoverbot im Bereich der Szene. Die Kommune nimmt die meiste Infrastruktur von der Stadt in Anspruch: ZB Wasser, Strom, Abfallbeseitigung, Öffentlicher Verkehr, Schulen, Spitäler und was auch immer. Um den Geist der Kommune zu wahren und den wechselnden Problemen anzupassen, werden Versammlungen abgehalten. Nicht das individuelle Bedürfnis stehe im Vordergrund, sondern das Wohl und Zusammenleben der Kommune. 

 

Marc, der Sohn meines Neffen Stefan und Judith, verbringt Studientage in Kopenhagen. Mit ihm und drei seiner Kollegen (Nicki, Dominik, Dominik) treffe ich mich am NyPort (neuer Hafen), der farbigen Restaurantstrasse zum Mittagessen, bevor sie in die Schweiz zurückfliegen. Marc empfiehlt mir das Reffen zu besuchen. Das Reffen ist eine Fress- und Trinkbudenansammlung auf einem Hafengelände. Sonntags gerangelt voll und so soll es jeweils auch nachts sein. Dauerfestbuden und -hallen!   

 

Die Kartenautomaten für die S-Bahnen sind mühsam und langsam zu bedienen. Zweimal gebe ich es fast auf und überlege mir das Schwarzfahren. Zwei Mal von acht Fahrten werde ich kontrolliert. Glück gehabt.

 

Vom Reffen in die Stadt fährt der Bus 2A. Reffen ist die letzte Bushaltestelle und ohne Ticketautomat. Ein Ticket kann ich beim Chauffeur aber nur mit Kleingeld lösen, keine Kreditkarte und keine Euros. Nur dänische Kronen. Solche habe ich nicht, weil ich bisher alles mit Karten bezahle. Der junge Buschauffeur sieht mein Dilemma und sagt: «Setz dich ruhig hin. Du kannst mitfahren». «Ich muss aber bis zum Hauptbahnhof, das sind viele Haltestellen», ergänze ich. «Schon klar, setz dich ruhig hin». Ich füge mich, - nicht ganz. Ich strecke ihm eine Fünfeuronote hin mit der Bitte, diese für seine Freundlichkeit zu akzeptieren. Er will nicht annehmen und entgegnet: «Kauf damit was Schönes für deine Enkel». Erst als ich ihm erkläre, weder Frau noch Enkel zu haben, kann ich mich ohne Note von ihm entfernen. Beim Abschied am Hauptbahnhof zwinkern wir uns verschmitzt zu. Sooou schöön! 

 

Zwei angebliche LPGas-Tankstellen in Kopenhagen führen ins Leere. Dafür aber lerne ich weitere Teile der Stadt kennen. Es gibt noch viele attraktive Parks und kleine Seen ohne Touristen. Mit dieser Stadt bin ich noch nicht am Ende, verlasse sie aber für dieses Mal in Richtung Schweden/Malmö (9.5.2022). Zuerst unter Wasser durch den Drogdentunnel, dann über die aus dem Bohrschutt künstlich im Meer aufgestaute Insel Peberholm und weiter über die elegant geschwungene hohe Öresundbrücke, 16 km insgesamt. Auch die Eisenbahn führt da runter und rüber.

 

Daten zur Brücke: 57m lichte Höhe. 204m architektonische Höhe. 7,845 km lang. 490m längste Spannweite. Von 1995 – 2000 für ca 2,8 Milliarden Euro gebaut.

Eine kleine Velotour (10.5.2022) vom Skärhults Camp aus führt mich zu historischen Städten mit Steinringen und Grabstätten, Hütten aus dem vorletzten Jahrhundert und Zeugnissen aus der Eiszeit.

 

Gut, dass ich am Vormittag bike. Am Abend fällt die Temperatur auf 12 Grad und seit mehr als drei Wochen regnet es auf meiner Tour zum ersten Mal. --- Diesen Abschnitt streiche ich gleich wieder. Es regnet nur zirka drei Stunden lang und nicht heftig. Also nicht erwähnenswert.  

 

In Nora wurde die erste Normalspur-Eisenbahn Schwedens eingeweiht. Das Bahnhofgebäude und -Areal ist heute ein Museum.

 

Dem Weg entlang von Nora - Sund – Bondbyn – Lindesberg – Öskevik – Born – Nora (60 km e-bike) gibt es immer wieder Naturparks mit wilden Wasserläufen und Gestrüpp für Vögel. Auf offenen Weiden vereinzelt Rehe und Kraniche. Sooou schööön!

 

Von Nora weg entschliesse ich mich mitten durch Schweden hochzufahren, weil ich diese Mitte von Schweden noch nicht kenne. Mora - Östersund (13.-14.5.2022).

 

Freitag, der Dreizehnte ist mein Tag. Ich kann zwei Kraniche fotografieren. Bald danach kreuzt mein erster Elch in einer Waldweglichtung. Heia! Was für ein Gefühl! Vom Fotografieren hält er nichts und verschwindet unweit im Wald.

 

Ich bin von dem offenen Land in Mittelschweden, den unzählbaren Seen, den Wäldern und weit herum verstreuten, hübsch bemalten Holzhäusern und Höfen angetan.  

 

Von Östersund quere ich Schweden in Richtung Westen, Trondheim, Norwegen (14.5.2022). Mein Herz begehrt Fjorde zu sehen.

 

Nach einer weiteren wild geparkten Nacht, das erlebe ich bisher hierzulande problemlos, packe ich das Bike aus, um mich nach einem Camping umzuschauen. Zweiundzwanzig Kilometer sind es von einem Tunnel, wo ich mich mit dem grossen Womo nicht mehr weiter getraue bis zur Spitze der Halbinsel Frosta.

 

In Hauga liegt ein grosses Camp, das mir nirgends angegeben wird. Viele Camps erliegen noch der Winterstarre. Das Hauganfjaera ist eigentlich auch geschlossen, aber heisst mich willkommen, hat eine Waschmaschine und gutes Wlan! Da werde ich sicher drei Tage bleiben, um die Annehmlichkeiten von Heizen mit Strom zu geniessen. Propangas (LPG) finde ich in Schweden und Norwegen nur selten. Darum will ich es nicht verheizen und möglichst zum Kochen sparen. Schliesslich muss ich nirgendwo hin, ich kann verweilen, wo ich es schön finde. Sooou schööön! 

 

Jaja, die Sprachen! Ich will mal wissen, was für ein besonders Camping in Norwegen ein Bobil Camping ist. Nichts Besonderes: Bobil heisst Wohnmobil (Womo). In USA und Kanada heisst es RV (sprich: ar wi und meint Recreation Vehicle, was bei mir nicht immer dem Namen entspricht).

 

Im Hinblick auf die Breitengrade habe ich die Südspitze von Island erreicht. Am Polarkreis bei Mo i Rana werde ich die nördlichste Breite von Island verlassen.

 

Am 16. Mai klart der Himmel gegen Abend total auf. Ein Norweger stellt sein Womo neben meines und meint: Morgen, der 17. Mai, ist Nationalfeiertag. Alle Norweger feiern!

Upps. Davon wusste ich nichts. Sofort tue ich dem Land die Ehre an und informiere mich über den Verfassungstag, den 17. Mai (1814).

 

Norwegen gehörte in einer Union zu Dänemark. Das gefiel den Schweden und Briten nicht. Streitigkeiten und Verhandlungen führten zum Kieler Frieden 1814. Vereinbarung: Norwegen gehört jetzt nicht mehr in Union zu Dänemark, sondern in Union zu Schweden! Dazu erhält Norwegen am 17. Mai 1814 seine eigene Verfassung zu einer parlamentarischen Monarchie. Seine heutige Unabhängigkeit bekommt Norwegen aber erst bei der Auflösung der Union mit Schweden im Jahr 1905.

 

Heute ein Volksfest im ganzen Land, ein Riesending. Das war bei der Gründung 1814 und Jahre danach nicht so. Der König witterte Aufstand und verbot den Verfassungstag volkstümlich, bäuerisch zu feiern. Über Jahre wollte nichts Rechtes aufkommen bis der politische Hintergrund zum Ärger der Initianten in Vergessenheit geriet. Das Volk organisierte sich sein entpolitisiertes Volksfest vom 17. Mai. Das funktioniert mehr oder weniger seit 1830. König Harald V (seit 1991) feiert heutzutage bedenkenlos mit.

 

Nationalfeiertag! Was sage ich bloss zum 1. August? Der Rütlischwur wurde bis ins 19. Jahrhundert nach einer Chronik aus dem Mittelalter auf den 8. November 1307 datiert. Opala! Erst durch den wiederentdeckten Bundesbrief in Schwyz, der den ersten Zusammenschluss der Urschweizer Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden bezeugt, wurde das Datum vom 8. November 1307 angezweifelt. Im Bundesbrief wird der Zusammenschluss «auf Anfang August 1291» datiert. So wird seit 1891 der Nationalfeiertag in der Schweiz auf den 1. August verlegt. Damals nicht ohne Widerstand. Wer weiss das, und wen kümmert das heute noch? Hauptsache ein freier Festtag!

 

So. Jetzt kann der Nationalfeiertag, der 17. Mai in Norwegen kommen. Ich weiss Bescheid. Da ich an einer Halbinselspitze hocke, bekomme ich fast nichts mit. Nur an die drei ankommenden norwegischen Bobils werden sofort Fähnchen gesteckt. Beim Biken sehe ich, fahrende Autos sind beflaggt und meist auch die Wohnhäuser. Die meisten Fähnchen flattern auf dem grossen Friedhof von Alstad im Wind.

 

Kein Fähnchen weht bei den Felszeichnungen/Petroglyphen von Evenhus, zwei Kilometer hinter mir. Mich faszinieren solche Zeugnisse aus der Steinzeit, die bis zu 8000 Jahre vor meinen digitalen Berichten geschrieben wurden und heute noch sichtbar sind.

 

Kein Fähnchen weht beim Steinkreis in Logtun, gleich fünf Kilometer hinter mir. Dieser Steinkreis ist auch erst hundert Jahre alt und wurde 1914 zum hundertsten Jahrestag des Staatsvertrages Norwegens (1814) mit zwölf Steinen aussenrum als Symbol für die zwölf Bezirke des Königreiches aufgestellt. Am kleinen Hügel, wo dieser Steinkreis steht, fanden schon seit dem Mittelalter politische Gesetzgebungen und Gerichte statt. Eigentlich wäre das «die Rütliwiese Norwegens» und müsste beflaggt sein. Aber eben, der Nationalfeiertag ist entpolitisiert. Hauptsache ein freier Festtag!

 

Seit drei Tagen stehe ich am selben Ort mit demselben Ausblick auf den Trondheimer Fjord. Vertrautheit braucht Zeit. Nach drei Tagen und hellen Nächten fühle ich mich hier total zu Hause. Soll ich Morgen wirklich weiterfahren oder hier zu Hause bleiben?

 

Ich entscheide mich ein Rentier zu jagen, dreissig Kilometer von Steinkjer landeinwärts. Man nennt es das Bölanrentier. Es weilt schon seit 6000 Jahren hier. Ein Meister seines Faches und eine Ausnahme hat das Rentier naturalistisch an die Felswand gemalt.

 

Nach einer langen Betrachtung beim Rentier, kommt mir doch der Gedanke, die Nacht bleibe recht hell. Ich könnte ja noch weiterfahren. Gedacht getan. Um fünf Uhr abends (18.5.2022) fahre ich weiter auf die E6, was eine «schnelle Strasse» nach Norden bedeutet. Ich zögere unterwegs Diesel zu tanken und muss dann wirklich noch eine Strafrunde von zehn Kilometern einlegen. Denn ich entscheide mich die 776 zu fahren. Aber nicht ohne vorher zu tanken.

 

Ein dünnes Strässchen durch Täler und über Hügel. Der Schnee liegt noch an der Strasse, obwohl ich jeweils nicht über zweihundert Höhenmeter überwinden muss. Norden halt. Unterwegs zweifle ich wirklich, ob sich die Verhältnisse je etwas breiten. Mehr wie vierzig Stundenkilometer kann ich nicht fahren. Nachts um neun komme ich bei der Fähre Geisnes-Hofles an. Beim Kvisterö Fjordcamping angekommen, wünschte ich mir eine Schulter-Nacken-Massage, nicht wegen der Anzahl Kilometer, sondern wegen der dauernden Konzentration. Doch da ist niemand! Der Blick auf das dunkle, verhangene Meer ist sooou schööön!

 

 

 

BildText
 

2022 April

 

Jetzt habe ich ein Alter und einen Stand erreicht, an dem mir alles zu Füssen liegt!

--- Alles, was ich in die Hände nehme, landet auf dem Boden. Das Gute daran: Ich bücke mich mehr wie früher!

 

Sonja hat mit ihrer Vorbereitungsgruppe in Wangs (10.4.22) einen sinnvollen, lockeren Familiengottesdienst gestaltet, zu dem ich die Eucharistie zelebriere. Mit ihren Körbchen und Palmstecken prägen viele Mädchen und Buben die Feier zum Einzug Jesu in Jerusalem mit Fröhlichkeit und Lebendigkeit. Sooou schööön! 

 

Mit der Wohnungsübergabe meiner verstorbenen Cousine an Vita Tertia in Gossau (12.4.22) schliesse ich eine fünfundzwanzigjährige, verwandtschaftliche Beziehung ab. Die Farben der Erinnerungen bleiben.

 

Am Hohen Donnerstag sitzen wir zur Eucharistiefeier in der Kirche in Vilters. Das Füssewaschen und das Abendmahl sind die zentralen Anliegen des priesterlichen Dienstes: «Tut dies zu meinem Gedächtnis».

Vor dem Gloria öffnet der Mesmer ein Seitenfenster und läutet dann alle fünf Glocken, während wir schweigend hinhören. Bewegendes Lauschen. Ab diesem Augenblick werden die Glocken bis zur Osternacht schweigen. Bewegend daran zu denken, wie viele Menschen in dieser Kriegszeit von Putin gegen die Ukraine auf beiden Seiten die Osterglocken nicht mehr hören werden.

 

Karfreitag: meine vor zwei Jahren improvisierte Kapelle auf dem Hinterhofparkplatz von Daniel in Santa Fe, Argentinien, wo ich wegen der Coronaquarantäne täglich herumgetigert bin.

   

In jeder Eucharistie feiern wir den Tod und die Auferstehung Jesu. Das Osterlied «Christus ist erstanden» wirkt für mich in der Osternacht (in Vilters 16.4.22) gesungen, wie eine tiefe Antwort meines Glaubens aus dem Innern bejahend und erfreuend. «Frohe Ostern» bekommt für mich von daher seinen Sinn. Eigenartig, dass wir die Osterlieder nur in der Osterzeit singen können. So ergeht es auch den Weihnachtsliedern in der Weihnachtszeit und den Heilig Geist Liedern in der Pfingstzeit. Obwohl der Inhalt das ganze Jahr hindurch stimmt, gibt es Zeiten, zu denen man das Eine oder das Andere nicht singen kann. So eigenständig, kraftvoll und an den liturgischen Rhythmus gebunden sind die Texte und Melodien.

 

Genau vor zwei Jahren bin ich von Argentinien herkommend in Zürich gelandet und in den Flumserbergen in freiwilliger Quarantäne verschwunden. Heute (19.4.22) fahre ich los nach Norddeutschland, um dort anfangs Mai meine coronabrüchigen Panamericana-Reisefreundinnen und -freunde zu treffen. Telse und Claus laden auf ihrem Parkgelände privat zu diesem Treffen ein. Sooou schööön!

 

Mein Womo fährt blitzsauber. An der deutschen Grenze suche ich den KÜS/TÜV auf. Die verpassen meinem Womo eine grüne 4 Plakette. Jetzt darf ich in alle deutschen Städte mitten hineinfahren.   

  

Das Prämonstratenzerkloster Rot a.d. Rot birgt heute ein Jugendzentrum der Diözese. Die verstaubten Reliquienschreine auf den sechs Seitenaltären erwirken den Eindruck eines Gruselkabinettes. Der Chorraum ist von solchen Zugaben gereinigt und reicht Dank dem Chorgestühl tief nach vorn.

 

Das Limesmuseum in Aalen weist mich mitten in der Stadt erst mal ab, da wegen einer Baustelle die Womo-Stellplätze aufgehoben sind. In Wasseralfingen, dem Nachbardorf, finde ich einen grossen, ruhigen Parkplatz, wo ich drei Tage und Nächte unbehelligt stehen bleibe.  

 

Das UNESCO Limesmuseum in Aalen ist sehr beachtenswert aufgebaut. Der Limes war kein eigentlicher Verteidigungswall, sondern ein Zollwall gegen Waren- und Menschenschmuggel. Der gegenseitige Warenhandel der Römer mit den Barbaren musste für die Abgaben durch diese Tore hindurch. Das Römische Reich zog mit der Zeit wegen seines höheren Lebens- und Bildungsstandes die Barbaren an.  

 

Die tollsten Funde hat man in Brunnen gemacht, in denen alle möglichen Utensilien bei Gefahr versteckt und später verschüttet wurden. Nicht nur Keramik und Schmuck, sondern auch Lederschuhe und Sandalen blieben erhalten.

 

Im Gebiet der Ostalb, wo ich jetzt bin, gibt es viele toll beschilderte Fahrradwege den Limes entlang. Nach fünfzig Kilometern Fahrt komme ich eben von dem gepflegten Ort Ellwangen zurück.

 

Dem Ellwangen Limes Radweg lege ich (21.04.2022) noch zu und komme nach einundsiebzig Kilometern über hügelige Gegenden und sanfte Ebenen Limes-Grenzmarken entlang nach Wasseralfingen zurück.

 

Die Comburg bei Schwäbisch Hall ist mein nächstes Ziel, das ich mit dem Womo auf Talesebene entlang der mäandernden Kocher erreiche. Die ehemalige Benediktiner Klosteranlage auf einem Felsvorsprung verteidigt sich geschichtlich gegen die Reformation. Keine erhebende Sache.

 

Michael, mein Firmpatenjunge aus Nürnberg wohnt in Gerbrunn bei Würzburg. Wegen Notfalldienst – Schlafen – und Unfall einer Freundin gibt es kein Wiedersehn. (24.04.2022). Das war`s dann!

 

Das hübsche Fachwerkstädtchen Hannoversches Münden (25.04.2022) liegt an der Gabelung der Fulda und der Werra. Wo diese beiden Flüsse zusammentreffen, bildet sich eine Halbinsel. Nach ihrem «Kuss» fliessen die Beiden als Weser weiter!

 

Nördlich Hamburg fahre ich über Land in der Hoffnung ein schönes Plätzchen zu finden, wie es bisher zwischen Ulm und Würzburg möglich war. Hier geht nichts! In Bad Segeberg ist wegen Regen das Camping für über 3,5 Tonnen gesperrt. Bleibt mir noch der Wegrand bei Tensfeld.

 

Das Camping Seeblick in Dersau (27.04.2022) am Plönersee wiegt alles auf. Hier bringe ich das Womo und die Wäsche in Ordnung, denn morgen geht`s zum Panamerikana-Treffen bei Telse und Claus in Bornhöved südl. Kiel (28.04.2022).

 

Am Nachmittag stehen zwölf Wohnmobile auf Ruser`s Parkwiese! Die meisten sehe ich seit meinem traurigen Abgang an Weihnachten 2019 in Mendoza/Argentinien zum ersten Mal in aller Fröhlichkeit wieder.

 

Telse und Claus haben ein riesiges Sägewerk in Bornhöved aufgebaut und jetzt drei Söhnen übergeben. Verarbeitet wird lediglich Fichte aus der Umgebung. Im Juni 22 werden sie 50 Jahre Holz Ruser feiern. Ein beeindruckendes Werk mit hundertdreissig Mitarbeitern.

 

Bad Segeberg (30.04.2022) besuchen alle Camp-Freunde am Samstag zum Einkaufen auf dem Markt. Ein hübsches, halbstündiges Konzert am Markt in der Marienkirche schenkt volle Ruhe. Anschliessend geht`s zu Fuss über zehn Kilometer Wanderwege rund um den Segeberger See. Geschafft im doppelten Sinn kehren wir mit Ruser`s Bussen nach Bornhöved zurück. Das ganze Treffen ist sooou schööön und dauert noch an.    

   

 

 

2022 März

 

Ich habe den Februar-Bericht ohne eine Bemerkung zu Putin`s Krieg, den er Ende Februar in der Ukraine hat losbrechen lassen, ins Netz gestellt. Draussen in der Natur habe ich nur ganz wenige Informationen aufgenommen und wieder verdrängt. Ich wusste zu wenig, um persönlich darüber zu schreiben. Jetzt habe ich anfangs März - so gut es geht - viele Informationen eingeholt.  

Ein hundsgemeiner Diktator, dieser Putin, ein hinterlistiger Verbrecher. Manipulator und Lügner sondergleichen. Demokratie sei eine schwache Regierungsform, sagt er. Jetzt ist der verlogene Diktator zu weit gegangen und hat von der Demokratie eins auf die Schnauze bekommen. Überwältigend, wie die Welt plötzlich urteilt. 147 Staaten sagen: «So nicht!» Nur Trump versteht noch nichts. Ich befürchte, die Republikaner in den USA werden diesen irren Narzissten wieder zum Präsidenten wählen. So schizophren verhalten sich Menschen in der Welt.  

 

Sanktionen gegen Putin und seine Oligarchen wirken. Nur leider tun sie dem Volk mehr weh, als den Milliardären in Russland und Ausland. Materiell leiden und der gefilterten Regierungspropaganda ausgesetzt sein, ergibt eine gefährlich aggressive Mischung. In dieser Verzerrung verdammt ein Teil des Volkes, dem keine weiteren Kanäle zugänglich sind, den Westen als Verursacher ihrer Armut. Ich habe bei meiner Reise durch Russland (2017) einige Leute darauf angesprochen, wie sie zu Putin stehen. «Putin hat uns nach Gorbatschow wieder Ordnung und Wohlstand gebracht», loben sie. «Im Übrigen muss man sich halt der Regierung und ihren Gesetzen fügen, dann wird man in Ruhe gelassen».

 

Russen wollen - wie die meisten Menschen in der Welt - einfach nur leben! Mit Tatsachenverdrehungen und Informationssperren kann man einen Teil zu Feinden machen. Das bringen machtbesessene Regierungen fertig, von China bis USA rund um die Welt.

 

Wie werden wir Putin los? Einerseits muss er von den Weltregierungen weiterhin isoliert werden und die Oligarchen müssen ihn, weil sie Geld verlieren, fallen lassen. Wichtig aber wird in meinen Augen jener Schritt sein, wo das russische Volk auf die Strasse geht, um gegen die Machenschaften des Präsidenten und der Oligarchen zu demonstrieren. Diese Kritik wird Putin und sein Regime umbringen. Putin fürchtet nichts so sehr, wie ein freies, meinungsstarkes Volk. Das ist das pure Gegenteil zu seiner Diktatur und das verbindet ihn mit China. Aber China geht vorerst anders vor. China kauft ganz Afrika und mit der Seidenstrasse auch ganz Europa auf. In wenigen Jahrzehnten werden wir fast unmerklich unter der totalen Kontrolle von China erwachen.

 

Es ist beinahe rührend, wie Putin an Weihnachten demütig am Gottesdienst in der Kirche teilnimmt. Bestimmt wird er an Ostern wieder im Gebet der orthodoxen Erlöser-Kirche zu sehen sein und ausrufen: «Jesus Christus ist auferstanden!» (Ich liebe die orthodoxen Gesänge). Was sagt die mächtige orthodoxe Kirchenleitung zu Putin`s «Spezieller Operation», die man nicht «Krieg» nennen darf? Darüber kann ich in keiner Presse etwas lesen. Sind die Metropoliten und Popen zu feige, Putin die Leviten zu lesen? (Späte Mitteilung in der Presse: Der Patriarch von Moskau nennt Putins Ausfall eine Heilige Sache!)   

 

Wozu doch ein Komiker fähig ist! Selenskyj entwickelt sich zu einem fähigen Präsidenten. Nicht nur das. Er bewegt die ganze Welt mit seinem mutigen, verlässlichen und ruhigen Handeln mit seiner Nähe zum ukrainischen Volk. Damit löst er eine unvergleichliche Solidaritätswelle aus. (1.3.2022) Sooou schööön!

 

Themawechsel: Nach drei Jahren muss ich das Womo bei der Motorfahrzeugkontrolle vorführen. Das Kühlaggregat leckt. Scheinbar hat man es in Argentinien beim Aus- und Einbauen verletzt und mit einer fraglichen Paste abgedichtet. Des Weiteren haften zwei neue Pneus auf den Vorderrädern und die Spur wird nachgestellt, weil das längst behobene Problem der einseitigen Abnutzung wieder auftritt! Ein paar Kleinigkeiten wie Gummihalterungen auswechseln und Aussenlampen ersetzen. Kostet Zeit und eine Menge Geld.

 

Adrian Fürk ist gerade (8.3.2022) zur Motorfahrzeugprüfung nach Buriet/Rheineck gefahren, während ich gespannt eine heisse Ovo im Gallusmarkt trinke und der Dinge harre, die da (noch) kommen sollen. Hoffentlich schafft`s mein Womo auf Anhieb! – Ist geschafft! Sooou schööön!

 

Bei Carthago in Arbon erhalte ich kurzfristig (die Mechs haben gewaltig viel Arbeit) einen Termin (9.3.2022) für die fällige Gasleitungskontrolle! Zwei Schläuche altershalber ersetzen. Ist auch geschafft! Dazu noch zwei Schlosszylinder flicken und die dritte Flamme am Herd brennfroh stimmen. Jetzt kann`s weiter gehen! Noch einmal Seidenstrasse und Panam mit diesem tadellosen Gefährt? Schön wär`s.

 

In Vilters will ich anderntags (10.3.2022) duschen. Plups. Kein Wasser in der Dusche, bald aber auf dem Asphalt. Drei Camper-Garagen von Mels, Sargans und Chur können sich dieses Problems nicht annehmen. In absehbarer Zeit auch nicht in Arbon. Also beginne ich mit meinem Neffen und Schwager die Dusche selber auszubauen. Zeitaufwändig. Dann schicke ich ein Foto von dem defekten Anschlussteil zu CCC nach Arbon. Jetzt sehen mich die Mechs total im Argen liegen. Ein halbes Jahr habe letztes Mal die Lieferung eines Ersatzteiles gedauert. Sie bieten mir deshalb an, die Dusche mit einem dauerhaften Provisorium zu flicken! So ein Entgegenkommen!!! Ich bin schon unterwegs nach Arbon!

 

Während die Mechen mechen (11.3.2022), fahre ich mit allerlei ÖV und PW von Arbon in die Flumserberge. Hier sind wir zum 80. Geburtstagsfest von Käthi, unserer Schwägerin und zum Ortswechsel von Sibilla, unserer zweiten Schwägerin verabredet. Sibilla zieht nach dem Tod unseres Bruders Ernst von Vilters nach Maienfeld. Risotto à la Lorenzo soll es geben und einen indonesischen Braten. Durch unsere Jahrzehnte lange Lebenserfahrung haben wir uns viel Lustiges zu erzählen.

 

Beim oft wilden durcheinander Reden kommt es zudem zu lustigen Missverständnissen. So hört Theres zum Beispiel beim Wort «Datenschutz» das Wort «Gartenschutz» und kann dieses Wort in der laufenden Diskussion nicht einordnen. Wir lachen viel und fühlen uns einander sehr nah und verbunden. Sooou schööön!

 

PW und ÖV bringen mich denselben Weg von den Flumserbergen wieder nach Arbon zurück. Am Abend kann ich mein Womo mit funktionierender Dusche in Empfang nehmen. Immer wieder habe ich Dank hilfreicher Menschen mehr Glück wie Pech. Sooou schööön!

 

Von Arbon fahre ich weiter nach St. Gallen, um anderntags unsere Cousine in Gossau zu besuchen. Beim Einrichten des Stellplatzes erreicht mich (11.3.2022, 20.50) das Seniorenheim mit der Nachricht, es gebe im Gesundheitszustand unserer Cousine grosse Veränderungen, wahrscheinlich durch Hirnschlag oder Hirnblutung. Jetzt wird mein Besuch noch dringender. Unsere Cousine will mit 96 Jahren keinen Eingriff mehr. Sie ist plötzlich bettlägerig und sehr schwach, aber im Geiste fit.

 

Eine ruhige Nacht verbringe ich zwischen Friedhof und der Pauluskirche in Gossau. Durch die Reihen besuche ich verstorbene Freunde und Bekannte aus meiner Kaplanzeit (1974-79) wie Ernst Brunner, Liny Ledergeber, Noldi Ammann, Rosmarie Güpfert, Isidor Bischof, Gust Braunwalder. Zeit für Erinnerungen!  

 

Nach zwei Tagen Besuchen in Gossau lande ich am Sonntagnachmittag (13.3.2022) per E-bike auf dem aussichtsreichen Tannenberg und auch noch im Orgelkonzert von Bernhard Ruchti in der Andreaskirche. Auf dem hundert Kilometer langen Weg nach Vilters putscht der Föhn ganz heftig. Ein mühsamer Kerl. Ein Unmenge Saharastaub verschleiert über mehrere Tage unser Land.

 

Lauben um die Berglihütte herum ist keine schwere Aufgabe, aber schmerzt anderntags doch in meines Bruders Knie und meinem Osteoporosegürtel.

 

Das Seniorenheim Vita Tertia berichtet, der Gesundheitszustand unserer Cousine habe sich nochmals deutlich verschlechtert. Unverzüglich (16.3.2022) fahre ich nach Gossau, sie zu besuchen. «Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht. Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau` ich und fürcht` mich nicht. Auf dich vertrau` ich und fürcht` mich nicht!» Dieses Taizé-Lied begleitet uns. Um zweiundzwanzig Uhr verabschiede ich mich für diese Nacht. Kurz darauf stirbt sie. Ein Freund schreibt: «Du hast sie nicht nur in die Nacht verabschiedet, sondern gleich ins Licht und in den Frieden bei Gott. Irgendwie schön!» So schön ausgedrückt, mein lieber Kornel.

 

 

 

2022 Februar

 

(Korrektur zu 2022 Januar: Thomas feierte am 2. Januar seinen 60. Geburtstag. FreundeInnen reklamieren wegen meiner Zahl 50. Das war einfach so eine Schätzung von mir. Aber Thomas, 60 ist auch noch sehr jung.)

 

Als ich am Sonntag auf dem Campo Miralago bei Tenero (30.01.22) ankomme sehe ich bei Sonnenuntergang die einzigen Wolken über dem Monte Gambarogno. Sie leuchten wie Feuer. Am wolkenfreien Himmel kann nicht plötzlich ein glühendes Wolkenband aufziehen. Das ist ein Waldbrand! Auf der Rückseite des Monte Gambarogno in Richtung Indemini lodert es. Acht Tage lang versuchen Helikopter mit angehängten «Einkaufstaschen», so mickerig sehen diese Behälter in der Luft aus, das gefrässige und später mottende Feuer zu löschen. Während es im Norden der Alpen regnet und schneit, herrscht im Tessin Trockenheit und Nordföhn. Das Feuer frisst sich vom Gipfel die Hänge herunter zu einzelnen Ferienhäusern und in Richtung Indemini. Ein hübsches Dorf, das aus zweihundert Jahre alten Rustici besteht. Albert kennt das. Beruflich hat er das Dorf photogrammetrisch ausgewertet.  

 

Mittwoch, 2.2.22 Mich erreicht ein SMS: «Wir essen zu Mittag in Locarno und wandern nachher nach Tenero. Wenn du im Womo bist, kommen wir dich gern besuchen.» Bald darauf sitze ich bei Silvia und Margrit an ihrem Pizzatisch im Pazo. 

 

Im Lago di Lovorno (Verzasca Stausee, 460m) ist alles Wasser abgelassen. An den Steilhängen zur Schlucht kommen viele Terrassierungen früherer Generationen und eine gut ausgebaute Strasse mit Brücken zum Vorschein. Im August 1964 wurde begonnen, das Reservoir zu füllen. Ein Teil des Dorfs Vogorno wurde dabei im Sommer 1965 überflutet; die Häuser wurden am Hang oberhalb des Sees neu erbaut. Im September 1965 war das Reservoir voll und der Bau abgeschlossen.

 

Während der Erstbefüllung des Speichersees trat wiederholt seismische Aktivität auf. Die Erdbeben begannen im Mai 1965, und die grössten Störungen traten zwischen Oktober und November auf, als der Speicher voll war. Die Epizentren lagen nahe der Staumauer. Bis zu 25 Stösse pro Tag wurden gemessen. Nach der ersten Entleerung und Wiederauffüllung war Ruhe eingekehrt.

 

Hans besucht mich auf dem Campo Miralago und hat e-bike-Touren-Vorschläge im Gepäck. Die erste (8.2.22) vom Camp über Agarone hoch nach Ditto und Monti di Motti (1061m). Wunderschöne Aussichten aufs Tal und den Lago Maggiore hinunter.

 

Die zweite Tour (9.2.22) führt uns über Locarno nach Brè sopra Locarno (1002m) und unter der Cardada-Seilbahn durch nach San Bernardo (1028m). Die Aussicht von San Bernardo über die Magadinoebene und den Lago Maggiore ist ebenfalls prächtig. Von Brè aus sieht man weit hinein ins Cento Valli und ins Onsernone Tal. Sooou schööön!

 

Nach Mergoscia (731m) führt uns der Weg zum Dritten (10.2.22), da uns eine Campnachbarin erzählt, man müsse nicht durch den langen, schwarzen Tunnel fahren, sondern könne aussenrum auf der alten Strasse nach Mergoscia. Und diese Strasse wird wirklich sehr gepflegt. Sooou schöön! Auf dem Rückweg fahren wir auf dem Höhenweg von Brione nach Locarno und hinaus zur Maggia. Heute ist es kälter als die Tage zuvor. An den Bäumen spriessen noch keine Blätter. Darum warten auch die Kamelien noch ab!

Am Freitag, 11.2.22 liegt noch eine vierte e-bike Tour drin. Über Contra fahren wir zum Vogorno-Stausee. Hans weiss eine Menge über solch technische Bauten. Dass sich zB eine solche Riesenmauer bei Sonneneinstrahlung durchaus um ca 30 Zentimeter verbiegt. Dass im Innern feine Lotfäden hangen, um die kleinsten Veränderungen zu dokumentieren.

Am Ende des Stausees zweigen wir nach Corippo (566m) ab. Das Dorf scheint fast menschenleer. Es ist ein eng verschachteltes, terrassiertes, treppendichtes, schleppintensives, umwaldetes, ursprünglich belassenes Hüttendorf.

 

Schliesslich ist es nicht mehr weit nach Lavertezzo und zur Ponte dei Salt (542m)  der doppelbögigen, doppelbuckligen Steinbrücke. Zu dieser kalten Jahreszeit sehen wir niemanden ins Wasser springen. Auf die Kirche von Lavertezzo und die Steinbrücke sehen wir auch von Rancone herunter.

 

Nach diesen vier Sooou-schööön-Touren verlässt mich Hans am Freitag wieder.

Ich fahre am Sonntag (13.2.22) nach Gossau, während es am Montag im Tessin überraschenderweise bis auf die Promenaden und Gartentische runter schneit. Im Norden (Norddeutschland) legen Orkane den Zugverkehr lahm. Bäume fallen auf geparkte und vorbeifahrende Autos. Recht heftig!

 

Fragst mich, wie es mir geht? Sehr gut! Das Einzige, was mich begleitet ist die Osteoporose. Um sie aufzuhalten setzt mir der Arzt alle drei Monate eine Ibandronat-Spritze. Heute (22.2.22 hübsches Datum) macht sie Dr. Luzius in Walzenhausen. Ansonsten findet er nichts zu bemängeln; ich auch nicht. 

 

Am Priesterbegegnungstag (23.2.22) mit dem Bischof in St.Gallen/St. Georgen treffe ich meinen Chef nach langen Jahren wieder einmal, ebenso viele betagte Priester. Einige ausländische Priester, die der Bischof sorgfältig auswählt, bilden das aktive Mittelfeld.

An diesem Tag erscheint auch ein Artikel der St. Galler Kirchenverwaltung. Deren Plan ist es, drei Grosszentren sollen in der Stadt unverändert bestehen bleiben: St. Maria Neudorf, Dom und Bruggen. Bei den übrigen acht Pfarreien werden bauliche Anpassungen entsprechend der Nutzung diskutiert. In St. Fiden wird der Eingangsbereich unter der Empore bereits zu einem Begegnungsraum mit kleiner Küche durch eine Glaswand vom Kirchenraum abgetrennt.

 

Stefan begleitet mich an den äusserten Südwest-Zipfel der Schweiz, über Genf hinaus. Unser Weg entfaltet sich mit selbstgewähltem Autobahnverbot sehr spannend. Frienisberg, Aarberg, entlang der Südseite des Neuenburgersees, Lausanne, Nyon, Dardagny, wo wir auf einem Friedhofparkplatz unsere Ruhe finden. Im benachbarten Weiler Malval fliesst die L`Allondon, wo immer sie will, durch das kleine Tal. Stefan macht mich auf die Flechten an den Bäumen und Sträuchern aufmerksam, was auf konstante Feuchtigkeit im heissen Tal hindeutet. La Laire heisst ein kleiner Bach, der aus Frankreich herkommend im südwestlichsten Zipfel des Kantons Genf der schweizerisch-französischen Grenze entlang fliesst und auf Schweizer Gebiet in die Rhone mündet. Ebenfalls wild mäandernd und der Natur überlassen. Sooou schööön!

 

Carouge bei Genf ist mit einem Stern auf der Landeskarte eingezeichnet. Genf selber aber überrascht mich mehr. Diese Stadt will ich demnächst mal kennen lernen.

Den Abschluss (27.2.22) findet unser Ausflug bei einem feinen Risottoessen bei Stefan`s Frau Helen in Bern. Immer wieder lässt mich die Stadt Bern grosszügig bei der Lorraine-Brücke schlafen.   

 

 

Theres füllt in Rotkreuz eine Waschmaschine nach der anderen mit meiner privaten und der Womowäsche! So hilfreich! Hans hat wie jedes Jahr alles zu meiner Steuererklärung vorbereitet. Ein Vergleich mit dem Vorjahr, eine Unterschrift und alle Arbeit ist am 28.2.22 abgeschlossen. Sooou schööön!

 

2022 JANUAR

 

Sechs Grad warm zeigt das Thermometer vor meiner Nase an, worauf ich mich im Bett noch einmal drehe. Im Wohnraum sind es noch drei Grad. Seit Jahren führe ich eine Ersatzheizpumpe mit mir. Jetzt kommt sie am Dreikönigstag (06.01) zum Einsatz. Ich kann sie eigenhändig ersetzen und das Alde Gerät nimmt sofort wieder seinen Heizdienst auf.

 

Thomas feierte am 2. Januar seinen 60. Geburtstag und Charlie am 6. Januar seinen 73. Thomas gibt Margrit, Charlie und mir eine Kirchenführung auf dem Winzelnberg/Neukirch/Bahnstation Steinebrunn, wo er in der Galluskirche als Mesmer amtet. Engagiert zeigt er (8.01.2022) uns die Feinheiten der Gemälde und die perfekte neue LED-Beleuchtung. Im nahegelegenen Restaurant mit diversen abgetrennten, hübschen Räumen zelebrieren wir das feine Mittagessen. Margrit und Charlie entlocken Thomas viele persönliche Aussagen zu seinen fünf durchlebten Jahrzehnten.  

 

Thomas kenne ich von seinem zweiten Lebensjahrzehnt an. Der damalige Pfarrer in Wittenbach wollte mit seinen Jugendlichen erst jugendgerecht gestaltete Gottesdienste feiern, wenn sie auch die ordentlichen Gemeindegottesdienste besuchen würden. Auf diese Erpressung gingen die Jugendlichen nicht ein und engagierten mich eigenverantwortlich hintenherum! Mit Annemarie, ihrer Leiterin, hatten wir in den siebziger Jahren schon in Gossau jugendgerechte Gottesdienste gefeiert Das waren kreativ gestaltete Gottesdienste mit Malen, Gesprächen, selbstgewählten Texten und Musizieren. Sooou schöön!

 

Thomas steckte sein erworbenes Lehrerpatent schön gefaltet in die Tasche und kam als Jugendarbeiter nach Halden! Danach wechselte er als Religionslehrer an die gemischte Flade (Sekundarschule) im Notkerschulhaus. Und schliesslich liess er sich vor fünf Jahren zum Mesmer auf dem Winzelnberg befördern, wo er ab und zu mit seiner Klarinette Gottesdienste mitgestaltet. Sooou schööön!

 

Was für ein herrliches Konzert mit Melodien aus Irland, dem Norden und Osten schenken uns Norbert Schmuck an der Orgel im Neudorf (8.01.2022) und Ruth Bischofberger mit ihren verschiedenen Flöten und virtuosem Spiel. Ich liebe mir unbekannte, in meinen Ohren noch unverbrauchte Musik besonders. Sooou schööön!

 

Wochenlang strahlt die Sonne im Januar 22 im Sarganserland einladend zu kleinen Wanderungen, am Rhein, in der Bündner Herrschaft und in den Flumserbergen.

Und doch! In mir muss noch mehr passieren. Am 29. Januar 22 besuche ich meine Cousine zu ihrem 96. Geburtstag im Seniorenheim in Gossau. Nach ihrem Lebenskonzept misstraut sie allen Menschen und wird nach zwei Jahren Corona-Gefangensein in ihrer Wohnung immer unzufriedener. Das belastet mich.   

 

 

Im Norden ist Schnee angesagt. Im Süden schön! Also los! Der Nordföhn treibt mich (30. Januar 22) über den San Bernardino in den Tessin. Auf dem Camping Miralago, als Einziger von fünf Plätzen in Tenero auch im Winter offen, herrscht mildes, stahlblaues Wetter. Zur rechten Zeit am rechten Ort!