2018 Reisebericht Januar bis April

 

Den Winter verbringe ich in der Nähe meiner Geschwister in Vilters, auf dem Stellplatz meines Womos bei meinem Neffen Marco und bei Freunden und Bekannten in St. Gallen.

 

Die erste Abfahrt im Skigebiet Pizol will mich das Fürchten lehren. So müde Beine! Bei der Zweiten geht`s deutlich besser und bei der Dritten fegt es wieder wie früher. So eine Freude im Skigebiet Pizol und auch in den Flumserbergen, wo ich dann und wann meine Schwester Theres und Schwager Hans besuche. Dieser Schwager, der mich schon auf unzähligen Skitouren begleitet hat, fährt mit neunundsiebzig Jahren noch wie zuvor. Der macht mir Hoffnung!

 

Seit Januar 2018 juckt es mich Spanisch zu lernen. Langenscheidt hat ein gescheites Packet mit CDs, DVD und Büchern in zwanzig saftigen Lektionen bereitgestellt. Ich staune, wieviel bei heissem Interesse noch in dieses einundsiebzigjährige Hirn reinpasst und was nicht rausfällt, bleibt drin! Auch diese Vorgänge will ich testen.

 

Im Februar knistert die kälteste Woche in diesem Winter. Das hält mich nicht ab, das Womo wieder einmal zu bewegen. Die Klimaanlage fällt aus. Das bedeutet kalte Füsse beim Fahren. Beim Stehen kann ich die Wohnung ganz gut heizen.

 

Stefan, mein Begleiter, freut sich an der Puppenkiste in Augsburg, der schönen Fuggerstadt. Regensburg will ihm wie mir gefallen. Der Höhepunkt unserer Städtebesichtigung präsentiert uns Passau, wo die Ilz, die Donau und der Inn in der Stadt zusammenfliessen und gemeinsam als Donau die Schiffe bis ins Donaudelta hinuntertragen.

 

Im Stefansdom in Passau soll die weltgrösste Orgel in fünf Werken ertönen. Die Orgelbaufirma Eisenbarth aus Passau hat sie gebaut. 233 Register und 17974 Pfeifen.

 

In der Pilgerstadt Altötting, an der Grenze zu Österreich gelegen, wird der Heilige Kapuzinerbruder Konrad verehrt. Ein sympathischer Heiliger. Er hat eigentlich nichts anderes getan, als die Menschen warmherzig, offen, menschenliebend, hilfsbereit an der Klosterpforte zu empfangen, allerdings auch in den Kriegsjahren, wo so viel Not die Menschen peinigte. Seine Ausstrahlung hat ihn zum Heiligen geweiht.

 

In Landshut steigt Stefan allein auf die Burg. Ich plage mich nach dem pilzreichen Mittagessen fluchtartig ins Womo zurück. Mein abführendes Gedärm erholt sich aber bald.  

 

Östlich von München wurde bei Erding nach Erdöl gebohrt. 1983 stiess die Bohrung in einer Tiefe von 2350 Metern auf 65 Grad heisses fluorid- und schwefelhaltiges Wasser. Über dieser ständig sprudelnden Wasserquelle wurde 1993 eine riesige Therme mit Bädern, Wasserrutschen und sechsundzwanzig Saunen errichtet. Passt gut zur kältesten Woche des Winters. Die Stadt Erding nutzt das heisse Wasser ebenfalls zur Fernheizung von Quartieren und Institutionen.

 

Der Pfarreisaal im Osten der Stadt St. Gallen füllt sich immer mehr und mehr. Die Trennwand wird aufgetan. Tische werden aus dem Saal getragen und Stühle herein. Ich habe schon eine Überraschung mit den Studenten und Studentinnen in Sivas in der Türkei erfahren. In St. Fiden ist sie ebenfalls gewaltig. Die Menschen sind gekommen, um meine Bilder zu schauen und die Kommentare zur Asien-Seidenstrassenreise zu hören. Wie schön für mich, diese Reise mit so vielen Menschen zu teilen.

 

Der Pfarreileiter von Halden, Matthias Wenk, bittet mich, ihn an der Seite der evangelischen Pfarrerin bei einem Segnungs- und Salbungsgottesdienst Mitte März zu vertreten. Da sage ich gerne ja. Am Tag zuvor winkt Matthias ab. Er könne nicht weg, die evangelische Pfarrerin sei ernsthaft erkrankt. Geh um Gottes Willen! Ich ersetze gern euch beide. Schliesslich ist der Gottesdienst bis aufs letzte Wort vorbereitet und die Segnungs- und Salbungsgruppe vorbereitet und mir bestens vertraut. Es wird ein fröhlicher und gleichzeitig tiefsinniger Gottesdienst. Sooou schöön!  

 

Im Casino in Zug musiziert der Audite Nova Chor zusammen mit einer Brassband Lieder aus vier Musicals, der West Side Story, Les Misérables, Jesus Christ Superstar und König der Löwen. Ein wuchtiges Erlebnis. Sooou schööön!

 

Mich locken am selben Sonntag noch Gesänge vom Tablater Konzertchor zur 500 Jahrfeier der Reformation, was mir der ehemalige Singkreisleiter von Halden, Ewald Truniger, wärmstens empfohlen hat. Also fahre ich noch zum Konzert nach St. Gallen. Zum Chorgesang schreibt der Konzertchor: „Der St.Galler Reformator Joachim von Watt (Vadian) hat den mehrstimmigen Gesang in der Kirche einmal als «Getümmel vieler zugleich Singender» und als «Lärm, der die Luft prügelt» kritisiert. Dennoch hat sich der Chorgesang auch im reformierten Gottesdienst durchgesetzt – und dies statt in Latein in der Volkssprache: Musik sollte und wollte Verkündigung und Predigt sein.“

 

 

Mitte April sind die Morgentemperaturen noch kalt. Sobald die Sonne das Wohnmobil etwas aufwärmt und die Aussenhülle zu knacksen beginnt, entlade ich das Fahrrad und trolle dem Neckar entlang. Natürlich immer nur so weit, dass ich den Weg zum Wohnmobil zurück strampeln mag. Vom Neckar wechsle ich über den Hunsrück nach Trier und führe dieses etappenweise Vorwärtskommen den vielen Windungen der Mosel entlang weiter bis nach Koblenz, wo die Mosel in den Rhein fliesst. Beidseits der stark gewundenen Mosel sind ununterbrochen Rebberge angelegt. Die Römer hatten diese Pflanze und das Keltern der Trauben im 4. Jahrhundert in diese Gegend gebracht. Von Koblenz fahre ich dem Rhein entlang südwärts an der Loreley und vielen unbekannteren Burgen vorbei bis Bingen.

 

Nach zehn solchen Fahrradtagen treffe ich in Bad Dürkheim auf die Abenteuer Ost Gruppe. Ein freundliches, fröhliches, warmherziges, aufmerksames Wiedersehen entfalten wir in dieser Weingegend. Auf dem Rückweg in die Schweiz lasse ich mich entlang dem sonnigen Wetter bis um den Bodensee tragen. Sooou schööön! 

2018 Mai

 

Am Theater in St. Gallen wird im Februar das Musical „Matterhorn“ uraufgeführt. Für den Mai erst bekommen wir Tickets. Am Anfang könnten die Bühnenbilder und Knutschszenen irgendeinem Dorftheater entstammen. Als Requisiten werden nur Tische und Betten herumgeschoben, bzw ausgewechselt. Orka, die Stimme der Natur, wird einer hinduistischen Gottheit, oder Maria mit Glamourketten, zuletzt im unnatürlich goldenen Strahlenkranz dargestellt. Da ist der indische Bollywood Regisseur (Shekhar Kapur) durchgeknallt. Oder ist es doch nur ein Abbild einer Marienstatue mit vorstellbarem erotischem Dessous in irgendeiner Walliser Bergkapelle? Die körperliche Eleganz der Sängerin (Sabrina Weckerlin) und die Brillanz ihrer Stimme  im einfachsten Stoff der Welt eingehüllt, oder eben nicht eingehüllt, würden genügen, um die Botschaft wirken zu lassen. Was die Berggöttin gegen die Erfolgssucht der Menschen und das Bezwingen wollen der Natur zu sagen hat, hört sich gut an. „Du bist nur ein Teil, das Ganze ist mehr“. Das Bühnenbild wird auf der schräggestellten Bühne mit einem drehbaren Einsatz (erinnert mich an Szenen in König der Löwen) und zeichnerischen Projektionsbildern bis hin zum Aufstieg zum Matterhorn und der Tragödie des Absturzes entfaltet.  

 

Edward Whymper (Oedo Kuipers) gibt mit seinem Gesang und Gesichtsausdruck die Sehnsucht nach Erfolg, nach dem Berg und schliesslich nach Gerechtigkeit spürbar  wieder. Seine kurzfristig Geliebte Olivia (Lisa Antoni) unterstützt ihn dabei mit ebenso brillanter Stimme. Am meisten überrascht der Krüppel Luc (Countertenor Luigi Schifano) das Publikum mit seiner weichen und doch festen, wohltuenden, virtuosen Sopranstimme.

 

 „Matterhorn“, ein Musical mit einer einfachen Handlung und Sprache, die das Publikum, ohne ein kompliziertes Drehbuch vorher zu lesen, versteht, mit wunderbaren Gesängen von Solisten und dem Chor hervorragend vorgetragen, löst tossenden, anhaltenden Applaus aus. Der Autor Michael Kunze, der Bühnenbildner Peter Davison und der Musiker Albert Hammond haben mir zusammen mit dem Regisseur Shekhar Kapur, den Sängerinnen und Sängern und der Band im Graben ein tolles Vergnügen bereitet. Sooou schööön!

 

Menschen in meinem Heimatort Vilters fragen gelegentlich, wo ich als nächstes hinfahren werde. Rückfragen zu meiner Russland-Asien-Seidenstrasse-Reise bekomme ich keine. Seltsam. Ist wirklich niemand daran interessiert? Es juckt mich und frage beim Verkehrsverein an. Die nehmen mein Anliegen auf, publizieren und organisieren einen Abend im Restaurant Ilge in Vilters. Ob es ein Flopp werden wird? Was habe ich da nur angerichtet? Bevor die Gäste eintreffen sagen die Wirtsleute, wir haben die Bestuhlung für einhundert Leute eingerichtet. Das ist wohl zu hoch gegriffen, meine ich! Bevor mein Vortrag beginnt, müssen noch Stühle herbeigeschafft werden. Was für eine Überraschung! Ein grosses Interesse ist da und die Leute bedanken sich herzlich für die „super Darbietung“. Meine Mischform: Ich lasse 898 Fotos (so viele!) im Fünfsekundentakt durchlaufen und nehme nur dann und wann zufällig auf ein Bild Bezug, während ich frisch von der alten Leber weg ein paar von meinen Erlebnissen erzähle. Sooou schööön!

 

Ich will mal etwas Bergfahren mit dem bike ausprobieren. Soweit ich halt komme. Ausgangs Dorf stoppt mich meine Schwägerin Käthy und entlockt mir mein Vorhaben. Vielleicht nach Valens? Vättis? Kunkelspass? steigere ich mich. Jetzt ist meine Motivation und mein Stolz angezapft. Schaffe ich das?  Bevor ich den Kunkelspass (1357m) erreiche, hauen zwei Gewitter auf mich herunter. Nicht so tragisch. Ich flüchte unter dichte Tannen. Schmerzhaft sind die Muskelkrämpfe in meinen Oberschenkeln kurz vor der Passhöhe. Tausend Höhenmeter überwinde ich untrainiert mit dem Bike, um den Calanda zu umrunden.

 

Am Calanda streift ein Wolfsrudel herum. Kürzlich hat ein Wolf eine trächtige Hirschkuh gerissen, ganz in der Nähe der Schule von Vättis. Manche Einwohner kriegen es mit der Angst um ihre Kinder zu tun.

 

Die Abfahrt vom Pass nach Tamins fällt nasensteil ab. Von Chur bis Sargans schütten weitere Gewitterwolken ihren Segen aus. Ich ziehe es vor, meine Fahrt für zwei Stunden in der Sauna in Chur zu unterbrechen. Gut gemacht. Die Abendsonne begleitet mich nach Vilters.

 

Afrika, Afrika im Festspiel- und Kongresshaus in Bregenz. Eine unglaubliche Tanz- und Akrobatikshow mit Gruppen aus Äthiopien, Tansania, Elfenbeinküste, Südafrika, Ägypten und anderen Teilen. Die Leichtigkeit, Geschmeidigkeit und Eleganz der afrikanischen Körper im Tanz wie in der strengsten Akrobatik berühren immer wieder meine Seele in meinem behäbigen Körper. Nadine und Tobias, mit denen ich dieses Erlebnis teile, finden ebenfalls begeisterte Worte.

 

Sehnsucht? In meinem nächsten Leben werde ich alle meine kindlichen und kindischen psychischen Hemmungen frühzeitig mit Rostentferner wegputzen, um meinen Körper freitanzend zu bewegen.

 

Die Musikgesellschaft Vilters spielt zum Muttertag ganz feine Melodien im Gottesdienst und schliesst mit einem schmissigen Ständchen. Die haben was drauf! Eine öfters mal prämierte Blasmusik! An diesem Sonntag gedenken wir unserer Verwandten. Ein Familientreffen besonderer Art.

 

Der Neckar fliesst sehr bereit durch Heidelberg. Vom Schlossgarten aus eröffnet sich eine hübsche Sicht auf die Altstadtdächer. Den Philosophenweg kann ich mit Tobias nicht gehen. Hagel und Gewitter raten uns, zum Camping in Neckargmünd zurückkehren. Nach zwei Tagen ist der Spuk mit meinem „Patenjungen“ Tobias leider vorbei.

 

Bischof Markus firmt am Pfingstmontag achtzehn achtzehnjährige Frauen und Männer von Vilters und Wangs. Er holt sich viele Sympathien mit seiner Iive-Erklärung zur Bibel-App auf seinem Smartphone und dem Zufallsgenerator mit Bibelzitaten für jede Gelegenheit.

 

Die erste Nacht auf der Bretagne-Reise mit Theres und Hans verbringen wir in Vézelay FR, dem mittelalterlichen Wallfahrtsort, wo Bernard de Clairveaux für die Kreuzzüge geworben hat. Den Kreuzfahrtgedanken der christlichen Fanatiker verabscheue ich heute, aber die Wallfahrtskirche auf dem Hügel imponiert mir.

 

Die „Gemeinschaften von Jerusalem“ feiern eine melodiöse Liturgie hier in Vézelay wie auf dem Le Mont St. Michel an der Grenze der Normandie zur Bretagne.

 

Die verteidigungsbewährte Abtei thront auf einem 58 Meter hohen, einsamen Felszahn in dieser Gegend. Der künstlich aufgeschüttete Damm zum Inselfelsen, auf dem ich im Jahre 2001 gefahren bin, wurde abgetragen und durch eine Brücke ersetzt, damit das Meerwasser den Felszahn bei Flut vollends umströmen kann. Die Autos werden auf riesigen Parkplätzen kilometerweit ferngehalten mit dem Angebot von kostenlosen Shuttle-Bussen rund um die Uhr. Für die heutige touristische Überflutung toll gelöst.

Saint Malo ist eine historisch schwer umkämpfte Stadt. Mächtige Stadtmauern und Wehrtürme sperren den Kriegsschiffen den Zugang.

 

Ein Stauwehr bei Saint Malo nutzt seit den 1970er Jahren bei Flut und Eppe das Einströmen und Ausströmen des Meerwassers in die lange Bucht durch Turbinen in der Staumauer.

 

Am Cap Fréhel überraschen mich flugtüchtige Pinguine, die sich mit der Fischbeute bis auf das siebzig Meter hohe Riff schwingen. Schwarzer Mantel, weisse Brust, spitzer Schnabel. Hocken tun sie wie Pinguine, fliegen wie Papageientaucher, die es in der Nähe auch geben soll. Hier sollen nur gerade zwanzig Exemplare dieser Spezies Tordalk Pinguine leben. So ein Wunder!

 

Bei Roger de Ploumanach gibt es Rosa Granit wie riesige Bolder hingeworfen. Verschlungene Fusswege durch Gestrüpp und unter Bäumen hindurch heben die Spannung, auf welche Gesteinsformationen man als Nächstes trifft.   

Um die kleine Kapelle auf der Anhöhe in Roscoff bietet sich der beste Aussichtskreis über die Stadt, das Meer und den Fährhafen.

 

Entlang den grasbewachsenen Dünen auf dem weiten Sandstrand gehen und dabei Eppe und Flut beobachten, bringt bei St. Babu Freude.

 

Über den Steilküsten im äussersten Westen der Bretagne bei Le Conquet und Pointe de St. Mathieu klatschen die Wellen des Atlantik an den Fels. Leuchttürme helfen den Seeleuten sich durch die bei Flut versteckten Klippen zu steuern. Bei Pointe de St. Mathieu stehen sie dicht an der zerfallenen Abtei.

 

Zwei Brüder haben einen mehrstöckigen Bunker zu einem Museum für ihre gewaltige Sammlung an Kriegs- und Soldatenmaterial umfunktioniert. Die vielen kurzen, persönlichen Kriegserlebnisse von Bretonen sind in drei Sprachen verfasst und spannend zu lesen. Sie machen betroffen. Empfehlenswert!

 

Lotti (Schweizerin) und Gabi (Bretone) füllen unseren Essensvorrat mit Salat, Kräutern und frischen Kartoffeln aus ihrem grossen Garten. Sooou schööön!

 

Faszinierende Steilküsten erheben sich bei Pointe de Pen-hir aus dem Meer. Naturpfade dahin und dorthin. Schulklassen üben sich auf dem Klettersteig und beim freien Klettern. Bravo! 

 

2018 JUNI

Die riesige Citadelle auf der Belle-ille vor der Bretagne gleicht im Innern mit ihrem gestriegelten Rasen einem Ferienparadies. Was für Kämpfe und Dramen haben Dank eroberungssüchtiger Herrscher und „zum Wohle der Völker“ auch an dieser Ecke stattgefunden!

 

Ich hocke auf einem Felsen. Das Ungeheuer greift mit gischtbrechenden Armen schnaubendem Atems nach mir. Ich bleibe hocken, während es immer dreister nach mir greift. Auf dem Festland wage ich Stand zu halten. Das Meer, ein mir fremdes Element, verängstigt mich schon bei geringem Wellengang. In seine geheimnisvolle Tiefe hinein fantasiere ich Ungeheuer. Tiefseetaucher bringen Bilder davon an die Oberfläche.

 

Vier- bis zweitausend Jahre vor Christus haben in Carnac Herrscher mit ihren Architekten, Logistikern und ihren Untergebenen tausende schwere Steine in bedeutsamer Manier aufgestellt. Man bewundert heute ihre Leistung und weiss doch eigentlich nichts über das Woher und Wofür. Eine hohe Kultur ganz verschwunden, ausser diesen Monolithen, den Dolmen und ein paar Schmuckstücken.

 

Von weitem gesehen steht eine Kapelle auf einem Hügel. Ok. Forscher haben entdeckt, dass der Hügel vor Jahrtausenden künstlich mit Erde und Schlamm bis über fünfzig Meter Höhe und hundert Meter Weite aufgeschüttet wurde. Im Hügel bedeckt liegen Dolmengräber. Mächtige Steingräber mit Deckplatten aus grossen Steinen. In den Dolmen wurden Grabbeigaben gefunden. Mich beeindruckt, wie eine so starke Kultur vor Jahrtausenden entstehen und sang- und klanglos wieder verschwinden konnte. Es packt mich sozusagen ein historisches Schaudern.

 

Die gotische Kathedrale, das Glanzstück aus dem 12. Jahrhundert ist hundertsiebzehn Meter lang und siebenunddreissig Meter hoch. Das klassische, noch erhaltene Stück Gotik! Und die Akustik verstärkt meine Stimme beim Singen. All meinen Dank für die vielfältige Reise mit Theres und Hans durch die Bretagne trägt die Akustik in diesen erhabenen Raum hinaus. Sooou schööön!

 

Theres und Hans lauschen gern meiner Einführung zur ökumenischen Klostergemeinschaft von Taizé. Schliesslich hat mir die Spiritualität der Brüder und Schwestern in meinen über zwanzig Besuchen während meiner Berufszeit eine reiche Quelle inneren Lebens eröffnet, von der ich lebe und für andere Menschen schöpfen kann. Jetzt bin ich wieder einmal auf diesem Hügel bei Macon und Cluny. Alle, die schon mal mit mir oder alleine da waren, sich an die Taizé-Gottesdienste in Gossau oder in Halden erinnern, werden mit mir einstimmen: Sooou schööön!

 

Marco und Martina können die Reise mit mir nach Berlin nicht antreten. Kurzfristig steigt Silvia zu, um ihren Sohn Patrice und Enkel Luce, sowie Freundinnen zu besuchen. Das verändert mein Touristenprogramm in ein Besuchsprogramm.

 

Bei Leipzig bewegen wir das Womo in drei Stunden immerhin vier Kilometer weit,  dann nehmen wir den Abgang aus dem Stau. Weiter geht`s über Land durch wunderbare Kornfelder und Fichtenwälder. Sooou schööön!

 

Ein Foto von sich und seinem Strassenverkauf will er nicht im Internet. Er mache diese Arbeit eben nur halblegal. Der Verkaufsstand von ein wenig Früchten, Gemüsen und Eiern stehe zu dicht an der Strasse. Ein herrlicher, witziger Verkäufer findet immer wieder überraschende Worte zu meinen Spässen.

 

Wegen des Staus am Sonntag schaffen wir es nicht mehr nach Köpenick, sondern bleiben am Seddiner See liegen, einem Camp im dichten Wald aus der DDR-Zeit. Der Campingwart erzählt mir sprudelnd aus jener Vergangenheit. Etwa, dass mit dem Mauerbau auch viele Campingplätze wie dieser schleunigst errichtet worden seien, um die Bevölkerung zu befriedigen. Sie hätten damals nicht durch Westberlin fahren dürfen. Sogar Ostberlin sei für die Landbevölkerung gesperrt gewesen. Sie mussten Umwege fahren.

 

Der Stellplatz am Köpenicker Hof (einst ein Gaswerk) nimmt uns für eine Woche auf. Luce, der Sohn von Patrice und Julika, ist bereits zehn Jahre alt und Fan vom Fussball St. Gallen. Sein junger Kater Oreo bekommt viel Aufmerksamkeit geschenkt. Viel Grün mit Bäumen und kindergerechten Gärten umgibt das Schulhaus von Luce in der Innenstadt.

Freundschaften aus der DDR-Zeit werden aufgefrischt. Maricka und Willi, David und Paris geniessen ihr Leben in Schöneiche, Heidi und Martin, Anna, Benno mit seiner Familie in Köpenick.

 

Der brandneue Film zur Person des Papstes Franziskus „Ein Mann seiner Worte“ von Wim Wenders kommt bei mir gut an. Ein besinnlich berührender, aspektreich aufzeigender Film zu seiner Person, seinem grundsätzlichen Denken. Und zu seinem Handeln? In diesem Drehbuchkonzept finden leider konkrete Fragen und Stellungnahmen keinen Platz, was aber die Menschen unserer Zeit dauernd beschäftigt: Was tust du, Franziskus, gegen die Armut? Wie effizient sind deine Hilfswerke? Was tust du gegen den Bildungsnotstand in der Welt? Wie glücklich bist du mit deiner konkreten Kirchenleitung, den Kardinälen und Bischöfen? Dazu hätte Franziskus viel Konkretes sagen können, über das Sozialgefüge in den Pfarreien, über die Schulen und Spitäler, die Wohnheime, Hilfswerke und Sozialdienste auf allen Kontinenten. 

 

Moritz hat mit Friendly und einem Kollegen an einer Hauswand am Holzmarkt beim Ostbahnhof von Berlin ein sehr detailreiches Fantasiebild geschaffen. Ich knipse viele Fotos, um die hunderte Details zu entdecken. Drei Künstler, ein homogenes Werk. Der einzige Bezug zur Realität ist das Wetter, schreiben sie. Viele junge Frauen und Männer treffen sich auf dem mit Sitzgelegenheiten und Imbissbuden improvisierten Gelände. Englisch, Französisch wird hier eben so viel gesprochen wie Deutsch. 

 

Nepomuk und Antonin verbringen eine Nacht ihrer Wahl im Womo. Nur Mitfahren wäre noch schöner! Amüsant verläuft das Fussballspiel Brasilien/Schweiz mit der ganzen Familie Ulrike und Benno Koloska am darauffolgenden Abend im Biergarten vom Köpenicker Hof. Die kleine Julika unterhält sich bestens mit der Barfrau. Die Schweizer Mannschaft darf sich an dieser Weltmeisterschaft sehen lassen! 1:1 gegen Brasilien.

 

Nach einer Woche Köpenick, Berlin und dreihundertfünfzig Kilometern Weiterfahrt darf mein Womo im Park von Telse und Claus in Bornhöved, Schleswig-Holstein stillstehen. Es sind sehr liebenswerte Bekannte von der Asienreise im vergangenen Jahr. Claus, mein allzeit engagierter Mechaniker und Tüftler ohne Auftrag und Bezahlung! Die Beiden rüsten sich bereits zum Aufbruch nach Südafrika! Ihr Womo schippert ihnen drei Wochen voraus.

 

Ein Hurra entfährt Claus bei der noch rechtzeitigen Ankunft seines neuen Kompressor-Kühlschrankes. Zwei Tage assistiere ich Claus beim Einbau und lerne so Vieles. In wenigen Wochen soll ich auch so ein Ding kriegen, das dann nur mehr mit 12 Volt läuft. Keine Gasversager mehr, weder bei grosser Hitze noch auf viertausend Höhenmetern. Sooou schööön!

 

Jemand steht an einer Friedhofmauer und sinniert: „Dieser Friedhof ist voll belegt mit unersetzbaren Menschen!“ Wie unersetzbar sind Menschen?

Claus und Telse halten sich in ihrem Sägewerk nicht für unersetzbar, sie haben es rechtzeitig ihren Jungen übergeben. Dafür bleiben sie selber quicklebendig am Leben und auf Fahrt.  

 

Claus führt mich in der Sägerei durch ihr Lebenswerk. Ein topmodernes, international handelndes Sägewerk, www.holzruser.de. So spannend. Das frische Holz wird in Trocknungsräumen um fünfzig Prozent seines Gewichtes erleichtert. Spannend, wie die computergesteuerten Anlagen jedes Stück Stamm erkennen und berechnen, was sich daraus machen lässt: Balken, Bretter, Leisten, lange, in Sekunden stirnseitig gekerbt, verleimt, verlängert, und wieder auf das gewünschte Maas, für den Zimmermann gerade- und schräggeschnitten, Balken in Präzision und alle Aufträge zu Paketen zusammengeschnürt.

 

Ich habe früher einmal unwissend der Natur in Schleswig-Hostein, und weil Claus ein genialer Tüftler ist, gefragt, ob er sein Holz synthetisch herstellt. Auf Spazierfahrten neckt er mich mit reichlich Hinweisen auf die tiefen Wälder.

 

In Ruser`s Gartenpark verkehren Rehe, Füchse und Hasen, sooou schööön!

 

In Namibia werden Telse und Claus noch in diesem Jahr in Omaruru vorbeikommen. Spontan nehmen sie mich am Abend zu einer Rotary-Versammlung mit, wo Sonja Prasse über „ihr“ Waisenhaus an diesem Ort ausserhalb von Windhouk Aktuelles berichtet.

Die Kieler Woche nennt sich das Segelschifftreffen, das jedes Jahr in Kiel stattfindet. Tausend Schiffe und viertausend Mann Besatzung nehmen daran teil. Teils auch Wettsegler. Am Abend ist Party auf Bühnen und Plätzen.

 

Bissee heisst ein kleines Dorf mit einer netten, kleinen Skulpturenausstellung der Dorfstrasse entlang.

 

Die internationale Ausstellung „Kunstwerk Carlshütte“ in Büdelsdorf/Rendsburg (www.nordart.de) belegt riesige alte Werkhallen und einen Park. Ein paar Werke sind erfrischend anzuschauen. Viele wiederholen sich in der Art, vor allem die Steinskulpturen im Park.

 

Die Ostsee legt seinen Arm, den Flensburger Fijord, flach an Land. Mit dem Fahrrad um die Gelting-Birk und viele andere Fahrradwege sind sooou schööön!

 

Das Emil Nolde Museum (bürgerlich Emil Hansen, war mal Kunstlehrer in St. Gallen) liegt im freien Feld bei Neukirchen im Ostfriesland an der Grenze von Deutschland zu Dänemark. Die Einwohner sprechen Deutsch und Dänisch!   

 

Die weiten Wiesen- und Getreideflächen sind schwach besiedelt. Alles bleibt still. Wegen der dünnen Besiedelung wäre das auch so geblieben, wenn Deutschland gewonnen hätte. Nun aber hat Südkorea den Weltmeister mit 2:0 rausgeschmissen. Deutschland verfällt in Depression.

 

Ich verstehe nichts vom Fussball. Doch bei den Schweizern gegen Costa Rica hätte ich mitspielen können. Den Ball immer wieder nach hinten schieben und herumtrödeln, das könnte ich wohl. 2:2 am Schluss. Dem Kommentator gebe ich Recht, der sagt: „Einen Sieg hätten die Schweizer in diesem Match nicht verdient“. Mit dem Unentschieden kommen sie aber ins Achtelfinal. Das ist doch auch was.

 

Ich besuche das Nolde-Museum Seebüll bei Neukirchen auf der Höhe zur Insel Sylt. Ein Maler (1867-1956), der es schon zu Lebzeiten zu einem beachtlichen Einkommen geschafft hat. Angefangen hat es mit Postkarten zeichnen als Zeichenlehrer in St. Gallen. Als das hinhaute, machte er sich mit weiterem Erfolg selbständig. Als Emil Hansen 1902 Ada Vilstrup heiratete, nannte er sich Nolde, nach seinem gleichnamigen Heimatort. Obwohl Nolde in der Nazi-Partei war und blieb, hat Goebbels 1056 Werke von ihm beschlagnahmt, einige davon als entartete Kunst bezeichnet und für Funktionäre ausgestellt! Es hat Nolde betrübt, dass keines seiner religiösen Bilder in einer Kirche Platz fand. Mich beeindruckt er damit.

 

Es ist unglaublich schön, abseits der Autobahnen auf Landstrassen durch die Koogs, Alleen und Wälder zu fahren. Koog nennen die Friesen ein dem Meer abgerungenes Stück Land. Sooou schööön!

 

 

2018 JULI

 

Beeindruckend sind die Sozialbauten der Margaretha Krupp auf dem Margarethenhügel bei Essen. Wohnsiedlungen, eigens für die Stahlarbeiterfamilien am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet. August Thyssen und Friedrich Krupp, die beiden Grossindustriellen während des ersten und zweiten Weltkrieges, wohnten selber in standesgemäss schlossähnlichen Grossvillen. Krupp mit zweihundert Angestellten allein für die Villa. Bei Krupps ging auch der Führer ein und aus. Entsprechend wurde die Stahlfirma durch fünfundfünfzig Angriffe der Alliierten bombardiert. Anfangs des einundzwanzigsten Jahrhunderts haben sich die Grosskonzerne zusammengeschlossen zu ThyssenKrupp und sind wieder die mächtigsten Rüstungsentwickler, -bauer und -verkäufer.

 

Die Zeche Zollverein ist eine stillgelegte Koksfabrik, wo Holzkohle verarbeitet wurde. Die Hallen und das Territorium von riesigem Ausmass wird mit Millionen Euros vom Staat optisch wunderschön restauriert und für Theater, Kunst und allerlei Kreatives freigegeben. Ein Tummelfeld der Fantasien.

 

Maia und Manfred, die Grosseltern von Luce, eröffnen mir diese unbekannten Welten und Geschichten rund um Essen im saftig grünen Ruhrgebiet, das allzu oft als wüstes Industriegebiet verpönt wird.

 

Ein besonders ereignisreicher Samstag, 7. Juli 2018! Die Nachkommen bereiten Bruno Schlegel einen persönlichen Abschied in der Pauluskirche in Gossau. Der Beerdigungstag ist gleichzeitig sein 91. Geburtstag. Er habe sich mit manchen Persönlichkeiten zu Gunsten Dritter angelegt, so manchmal auch mit Schiedsrichtern auf dem Fussballfeld der Enkel. 

 

Nach Ladenschluss um Fünf wird heute zum fünfunddreissigsten Mal in St. Katharinen in St. Gallen, musiziert, gesungen und ein Text vorgetragen. Dieses erfolgreiche Konzept zum Reformationsjahr heisst „Klanghalt“. Ich erlebe gerade noch den letzten Auftritt. Den Kreuzgang von St. Katharinen betritt und verlässt man schweigend. Das gelingt heute hundertfünfzig ZuhörerInnen auf eindrückliche Weise. 2500 Menschen haben die fünfunddreissig Anlässe besucht. Zweihundertfünfzig haben musiziert und gesungen. Norbert Schmuck und drei weitere Initianten beschliessen diese organisatorisch anspruchsvolle Reihe sehr zufrieden.

 

Als Nächstes besuche ich an diesem Samstag den Abendgottesdienst mit dem ökumenischen Singkreis in Halden. Matthias Wenk geht im Gottesdienst sehr aufmerksam auf das Empfinden und Befinden der Chormitglieder ein. Martha Schawalder ist nach dem Einsingen auf einer Treppe gestürzt. Der Notfalldienst nimmt sie mit ins Kantonsspital. Trotz dieser Aufregung singt der Chor die vorbereiteten Jodellieder zum Thema Dank. Silvia ist emotional besonders betroffen. Martha ist eine Frau, die öfters mal mit ihr und anderen zusammen, unaufgefordert in einer Kirche singt. Zum letzten Mal nach dem Beerdigungsgottesdienst des Chormitgliedes August Bock. Silvia hat noch einen weiteren Grund, besonders berührt zu sein. Patrice, ihr Sohn, nimmt, gerade von Berlin angekommen, mit seiner Partnerin Alyona und der Schwiegertochter Gioia an dem Gottesdienst zum Thema Dank teil.

 

Beim anschliessenden Apéro wird öfters an Martha gedacht, wie es ihr wohl ergehen mag. Beim Aufräumen kommt die Nachricht von ihrem Tod! Spontan setzen sich die Verbliebenen nochmals in die Kirche und Matthias leitet ein eindrückliches Beisammensein im sich verbreitenden Kerzenlicht.

 

Ein Samstag, an dem sich bei mir freudige und bewegende Begegnungen abwechseln.

 

Meine Gäste, Alyona, Patrice und Luce, freuen sich am Lido in Luzern zu campen. Im Verkehrshaus springt Luce auf alle Knöpfe los, die er interaktiv bedienen kann. Führt eine Lok auf der Berninastrecke, dreht sich im menschlichen Hamsterrad zur Watt-Erzeugung um die Wette, misst sich mit anderen Kindern im Ruderboot und eine Menge anderes. Auf dem Heimweg erklärt mir Luce (10), dass es bereits bei der aktuellen Wolkenbildung gefährlich wäre, im See zu baden. Kaum gesagt, kracht es uns drei Mal zünftig um die Ohren, bevor wir das Womo noch trocken erreichen.

Von Morschach aus lassen wir uns auf den Fronalpstock bakern. Die Sicht vom Fronalpstock über den Vierwaldstättersee, den Zugersee bis zum Zürichsee geniesst auch Silvia mit uns. Der Höhenweg zum Klingenstock ist mit hunderten von Treppenabsätzen ganz schön anstrengend. Sooou schööön!

 

Auf dem Furkapass gibt`s den Schneespass mit Luce und im Wallis feine Aprikosen.

 

Das Camp in Visp will ich erwähnen, weil es für die Verhältnisse in der Schweiz ein sehr grosszügiges Platzangebot und gleich nebenan für Luce und Patrice eine Badi gibt.

Klarsicht auf das Matterhorn. Gewaltig trotzend steht es da! Wau!

 

Fotosession beim Wandern! Luce bringt sich bereitwillig immer wieder in Pose. 

In Sachen Wegmarkierung müsste sich Zermatt mal beraten lassen. Primitiv versetzte Wegweiser und flyer helfen nicht wirklich weiter. Im Nebel werden die Wanderer total verloren sein. Die Preise für Bahnen und was Touristen so brauchen sind in der Höhe dem Matterhorn nachempfunden. Trotz imposantem Matterhorn, ein Mal zu diesen Abzockern genügt.

 

Luce lässt sich wie hundert Andere beim Eichholzcamp in Bern in der Aare treiben. So ein Spass (beim Zuschauen)!

 

In der Altstadt wartet Stefan auf uns und führt uns auf die Terrasse im Bellevue. Nur am Himmel gibt es noch mehr Sterne. Gediegen hübsch die Aussicht, doch Eiger, Mönch und Jungfrau sind wolkenverhangen.

 

Durch die Aareschlucht (Meiringen-Innertkirchen) führt mit 1,4 Kilometern eine kurze Wanderung. Gewaltig, wie das ganze Wasser an einer Stelle zu einem Meter Breite zwischen die Felsen gequetscht wird.

 

Von meiner Schwägerin Betty vernehme ich, mein Bruder Paul habe nach heftigsten Schmerzen die unaufschiebbare Hüftoperation angenommen und (20.07.2018) bestens überstanden! Gott sei Dank!

 

Ein zünftiges Abendgewitter mit starken Stimmungen beschliesst unseren letzten Ferientag in Brienz. Alyona, Patrice und Luce fliegen nach Berlin zurück.

 

Neben meinem Womo in Vilters haben sich Bärbel und Hans (bei Stuttgart) bereits mit ihrem neuen Sprinter-Womo installiert.

 

Der Abstieg von Valens bis zum Alten Bad Pfäfers ist kurz und steil. Eindrücklich, wie vor mehr als hundert Jahren ein grosser Hotel-Bäder-Komplex in die enge Schlucht gebaut wurde. Nach einer Stunde öffnet sich die Schlucht vor Bad Ragaz. Die diesjährige Ausstellung im Freien (Rag-art-z) will mir nicht gefallen, ausser vielleicht die Darstellung Schiffbruch mit Tiger.

 

Nie im Leben würde es einem Vilterser einfallen, mit seinem Auto bis zur Bergstation der Pizol-Seilbahn hochzufahren. Erika und Röbi haben meine Gäste und mich aber zu ihrem Ferienhaus und zum Nachtessen im Hotel Furt eingeladen. So verbringen wir Seidenstrassenfahrer von 2017 den Abend in einer kleinen Erinnerungsrunde auf 1550 Meter Höhe.

 

Heute (25. Juli 2018) kehrt mein Bruder Paul nur fünf Tage nach der Hüftoperation wohlbehalten nach Hause zurück. Während wir diesen Verlauf mit Freuden rekapitulieren, trifft mich die traurige Nachricht, mein priesterlicher Nachfolger in St. Gallen, Pfarrer Josef Wirth, sei gestern im Gebirge an der Roten Furka bei Klosters tödlich abgestürzt. Das macht mich sehr traurig. Josef war ein hochgeschätzter Seelsorger und Menschenfreund.

 

Mich beeindrucken die Menschen, die die Neudorfkirche in St. Gallen überfüllen, wie sie mit ihrer Anteilnahme der gelebten Einfachheit und Bescheidenheit des ohne Aufhebens in allen Lebensbereichen sehr engagierten Pfarrers im Trauergottesdienst ihren Dank ausdrücken. Die Kollegen finden treffende Worte zu seiner Persönlichkeit und lassen uns weinen und lachen.

 

 

Und wieder was ganz Banales aus meiner Womo-Geschichte. Mein Womo hat in Arbon einen neuen Kompressor-Kühlschrank bekommen. Eingefrorenes dürfte nun gefroren bleiben! Unabhängig von der Qualität des Gases, bzw des verrauchten Kamins und der Höhenunterschiede auf allen Pässen dieser Welt. Der Kompressor arbeitet mit Energie aus meinen Wohnraumbatterien, die von Solarpanel gespeist werden. Ich bin wieder ein Stück unabhängiger. 

2018 AUGUST

 

Die Georgskapelle in Wartenstein bei Pfäfers liegt neckisch auf einem kleinen Felshügel. Leonie vertraut ihren Eltern und Paten und nimmt ihre Taufe gelassen entgegen. Ihre Cousins und Cousinen strahlen mit ihr. Ihr Papa Andreas Haag singt zwei Lieder. Berührend für uns alle. Sooou schööön!

 

Walda und Walti sind herzliche Gastgeber in ihrem grossen Chalet in Hausen AG. Mit zwei Überraschungen warten sie auf. Erstens ist es ihnen gelungen, Romy und Miro einzuladen. Ein Weltenbummlerpaar, das ich 2014 in Banff/Kanada während einer Stunde Gespräch kennengelernt habe. Sie sind stets im VW-Bus unterwegs (miromy). Zweitens: Ich erzähle begeistert, dass ich mich am 1. August, sieben Jahre nach meinem Womo-Reisebeginn, für die Panamericana von Feuerland bis Mexiko 2019/20 angemeldet habe. Verschmitzt lächelnd lässt Walti (der Rollstuhlfahrer auf der Asienreise!) die Katze aus dem Sack. Er hat sich zusammen mit Walda schon Monate vor mir zur PanAm angemeldet! So eine Freude, mit ihnen zu reisen! Sooou schööön!

 

Mit Nadine, Pascal und mir hebt Roger in Sitterdorf TG mit dem Heli ab. Unser Ziel, Seline und Adrian in ihrem umgebauten Elternhaus in Rapperswil BE zu besuchen. Hin- und Rückflug (mit Nadine, Isabelle und mir) sind an diesem Sonnentag ein je einstündiges, erhebendes Erlebnis. Ich möchte jedermann gönnen, bei so einem Flug über die Schönheit der Schweiz zu staunen. Weiler auf allen Hügeln, die Wiesen umsäumt mit Wäldern. Die Seen in je eigenem Blau. In Zürich wogt die Streatparade am See. Roger darf stolz sein auf seine Leistung, uns sicher und ruhig durch die verschiedenen Flugzonen zu navigieren. Sooou schööön!

 

In Bischofszell forsche ich nach Felix und Matthias. Nebst den Vornamen kenne ich noch ihre Motorradnummern und kann ein Foto vorweisen. Die beiden habe ich in Uzbekistan angetroffen. „Ich arbeite hier, aber wohne nicht hier“, sagt die deutsche Migrolinoverkäuferin. Ein Motorradfahrlehrer, den ich bei der Fahrschule unterbreche, kennt immerhin den ungefähren Nachnamen von Matthias. Als dritte Person frage ich den Getränkehändler Inauen. „Klar, ich bin mit Matthias in Gotthausen aufgewachsen“. Über den Pastor erfährt er Matthias` Nummer und schickt ihm ein Foto meiner Businesskarte. Volltreffer! Matthias ruft zurück. Am Sonntagmorgen besuche ich den Lobpreisgottesdienst seiner und Felix` Gemeinde. Gleich zu elft wandern wir danach zum Mittagessen zur Waldschenke. Matthias trägt ein wunderschönes Fotobuch über die Motorradreise im Rucksack. Meine Businesskarte hat er an prominenter Stelle im Fotobuch eingeklebt. Wie bin ich geehrt und erfreut, diese netten Frauen und Männer aus der royal church kennen zu lernen! Den Abschluss dieses Tages finden wir im Garten von Yvonne, die auch zu dieser mit relativ jungen Leuten bestückten Gemeinde gehört. Yvonne hat mir vor Jahrzehnten beim Coiffeur Hermann Gmünder in St. Gallen die Haare zu Dauerwellen gewickelt, erinnert sie sich. So schliesst sich wieder ein Kreis von Bekannten Dank einer halbstündigen Begegnung in Uzbekistan. Alle diese Begegnungen sind für mich sooou schööön!

 

Alters- und gebrestenbedingt melden sich einige Menschen unaufgefordert von der Teilnahme am Gottesdienst in Ziteil 2434m ab. In einer stimmigen Feier beten zirka fünfunddreissig Menschen auch für die Abwesenden. Eine Frau aus Varese erkundigt sich nachher, „das war jetzt aber nicht nach dem römisch katholischen Ritus?“ „Doch,“ sage ich, „römisch katholisch, aber à la Lorenzo“. Die Vareser sind sehr beglückt über unsere Stimmen und Gesänge. Der Wallfahrtspfarrer Paul Schlienger versorgt hingebungsvoll  wie immer alle Anwesenden mit einer feinen Gemüsesuppe.

 

Die Arbeit in den Pfarreien ruft nach immer neuen Konzepten, um sie mit weniger Personal gut zu leisten. In St. Gallen findet dazu ein Startgottesdienst für St. Fiden, Neudorf und die ökumenische Gemeinde Halden statt. Ein komisches und düsteres Gefühl für mich, meinen kürzlich tödlich verunglückten Nachfolger in diesem Gottesdienst zu vertreten. Über allem die Frage, wie wird es weitergehen? Menschen aus meinen drei früheren Pfarreien empfangen mich mit überwältigender Herzlichkeit. Sooou schööön!  

 

Dem Rhein entlang liegen hübsche Städtchen mit vielen Riegelbauten.  Bülach, Eglisau, Kaiserstuhl, Laufenburg, Beuggen (D), Rheinfelden. Stefan schwimmt an diesem 30 Grad heissen Tag öfter mal in der Thur, im Rhein, in der Aare. Das Eichholz Camp, an der Aare in Bern gelegen, bietet mir, wie schon letztes Mal, den letzten verfügbaren Platz für mein langes Womo.  Helen, die Frau von Stefan, empfängt uns mit einem feinen Abendessen. Alles passt. Sooou schööön!

 

Warst du schon einmal in Kröschenbrunn? Das Dorf mag unbedeutend sein, aber das sanfte Tal, in dem es liegt, das Entlebuch, ist ein Bijou in der Schweiz.

Alphonse, ein Mitfahrender auf der Seidenstrasse, hat sich zusammen mit Verena ebenfalls für die PanAm 2019 entschieden. Jetzt sind wir schon sechs Partien. Fest des Wiedersehens. Aber vorerst heisst es die Blink- und Bremslichter am Womo in Ordnung bringen. Notfallmässig zieht der Nachbar von Alphonse in Schüpfheim ein Massekabel ein und es funktioniert bis ich anderntags bei Fürk AG in St. Gallen alles ordnungsgemäss flott machen lasse.

 

Flott machen lassen? Den eigenen Körper? Mein Hausarzt empfiehlt mir ein Prostata MRI in Gossau knallen und dröhnen zu lassen. Nichts Auffallendes zeigt sich. Trotzdem werde ich die mutmasslich harmlosen Knoten anfangs September punktieren lassen, um noch sicherer zu sein.

 

 

Mit Pensionierten spontan einen Ausflug machen, geht das? Von einem Tag auf den andern sind alle meine Geschwister und Verschwägerten (10 Personen) bereit, zusammen mit Silvia, die diesen Wunsch schon jahrelang gehegt hat, ins tiefe Weisstannental zu fahren. Älplermacaroni vom Feinsten glusten unsere Mägen auf der Alp Siez. Sooou schöön! 

September 2018

 

So ein Wochenende! Bei Roger, der mich eben noch per Heli über die Schweiz hinweg geflogen hat, steckt  auch das Lastwagenbrevet in der Tasche. Von Autobahnen hält er nichts. Lieber steuert er mein Womo von Vilters, über Wildhaus, das Obertoggenburg und die Schwägalp nach St.Gallen.

Tobias lädt an diesem Abend zu seiner 40. Geburtstagsfeier im Schützenhaus Abtwil ein. Unglaublich, was für schöne, sichere und kräftige Stimmen seine drei Brüder bei ihrem spassigen Gesang präsentieren.

 

Meine Liege steht für diese Nacht entlang der St. Maria Neudorf Kirche in St. Gallen. Um zwei, um vier, um halb fünf Uhr klopfen Heimkehrer an die Aussenhülle! Nur zum Spass! Zum Frühstück höre ich am Sonntagmorgen Maja Bösch an der Orgel nebenan. Das versöhnt mich mit den Ruhestörern.

 

Hansjörg gestaltet einen sehr eindrücklichen Gottesdienst zum Thema Talente. Noch immer treiben mir vor dieser Gemeinde Tränen in die Augen beim Gedanken, dass ich eigentlich nur meinen tödlich verunglückten Nachfolger, Josef Wirth, ersetze. Welch` ein abruptes Ende für ihn und die Gemeinden, in denen er tätig war. Entsprechend viel Wiedersehenswärme und Herzlichkeit wogt mir von den immer noch aufgewühlten Menschen entgegen.

 

Nach dem Kirchenkaffee bringt mich Anita zum Schloss Dottenwil bei Wittenbach. In dieser Schlosskapelle habe ich früher Trauungen und Taufen gehalten. Viele Bilder davon steigen in mir auf. Heute feiert die Schlossgemeinschaft eine Art Tag der offenen Tür. Nach je einer halben Stunde treten Kinder und Jugendliche aus Musikschulen mit Querflöten, Gitarren und Gesang zum Konzert auf. Im Garten treffe ich zufällig auf weitere liebe Freundinnen und Freunde. Sooou schööön!

 

Am späten Nachmittag muss ich mit Anita wieder aufbrechen, um rechtzeitig zum ökumenischen Abendgottesdienst in Halden einzutreffen. Auch hier fehlt der Gemeinde der ökumenische Partner, fehlt Josef. Evangelische Christen, Lutheraner und Katholiken unterhalten sich zum Thema Brücken bauen, beten und feiern gemeinsam Christus in ihrer Mitte.

 

Ich erzähle von einem ökumenischen Brückenpfeiler aus den achtziger Jahren. Die evangelische Gemeinde feierte den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag mit Abendmahl. Die Pfarrerin war erkrankt und kein Ersatz zu finden. Darauf hat die evangelische Gemeinde mich angefragt und als katholischen Pfarrer beauftragt, mit ihr das festliche Abendmahl zu feiern! Tränen der Rührung in diesem Gottesdienst.

Ein zweiter Pfeiler der ökumenischen Brücke ist der Bettag 1999. Der Eidgenössische Bettag ist eigentlich ein vom Staat auferlegter Gebetstag. Jede Konfession hat ihn für sich hoch und heilig gehalten. Aber ökumenisch? Das gelang in der Stadt St. Gallen erst mit unserem Millenium-Projekt 2000.

 

Ein dritter Pfeiler ist der Bodenseekirchentag 2006 in St. Gallen. Christen rund um den Bodensee treffen sich für ein Wochenende. Ein gemeinsames Abendmahl/Eucharistie mit Brot und Wein ist in einem Workshop möglich, wo sich die Teilnehmenden über ihren Glauben ausgesprochen haben. Auf dem Platz vor der Kathedrale feiern wir einen ökumenischen Gottesdienst und teilen Brot und Fisch. Ein österreichischer Reporter ist dermassen überrascht und begeistert, dass er richtig empfunden sinngemäss schreibt: ökumenisches Abendmahl mit Brot und Fisch unter dem Fenster des Bischofs.  

 

Die lange Ökumenebrücke, die ich in meinem Berufsleben mitgebaut und über die wir gegangen sind und immer noch gehen, hat noch viele Pfeiler, wie an diesem Abend 2018 mit Birke (evangelisch) und Thomas (lutherisch) in Halden. Der ökumenische Singkreis und Alexander an der Orgel schenken der Feier einen emotionalen Tiefgang: „Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist“. Sooou schööön! 

 

Am 7. September 2018 spricht Dr. Knöpfli, mein lieber Luzius, mich frei von jeglichem Verdacht auf Prostatakrebs. Gut geklärt mit Biopsien im Februar und September. Gott sei Dank! Sooou schööön!

 

Am Tag nach dem ärztlichen Freispruch fahre ich bereits über Genf, Annecy, Grenoble bis Valence und verbringe hier eine Nacht an der Rhone. Vergeblich suche ich einen schönen Küstenort in Südfrankreich. Die Küste ist sowas von unzugänglich, ausser bei den Touristenorten und da ist sie erst recht verbaut. Die Vorstädte im Süden sind Industriegebäude mit aufdringlich knalliger, über grosser Reklame. Die Sprayergeneration kann hier nichts verwüsten. Es wirkt alles bereits schrecklich! In ein paar Orten findet man in engen Gässchen ein paar altehrwürdige, romantische Häuser. Alle grossen Kaufhäuser treiben ihr Geschäft am Sonntag. Was noch schön ist, die Lastwagen sind am Samstag/Sonntag weg von der Strasse. Das war`s meinerseits vom küstennahen Südfrankreich. Ich flüchte Richtung Spanien.

 

Begur in Spanien heisst die Ortschaft an verwundenen Berghängen im Kreis Girona. Jeweils am ersten Septemberwochenende tobt ein Fest in allen Gassen zur Erinnerung an die begüterte Rückkehr spanischer Auswanderer von Kuba. Nur bei Walti draussen zirpt die Stille! Er sei mit Peter unten am Strand. Ich stürze mich ins Festgetümmel und puste mich auf den Burghügel, um das Städtchen und das Meer von oben zu schauen. Ein gediegener Ort.

 

Peter, Pedro und Walti haben ein Gartenhaus erstellt. Es geht jetzt darum, es innen und aussen zu malen, Steinbeete ums Gartenhaus zu legen und Steinplatten vor dem Zugang einzufügen. Hei, wie bin ich am Abend jeweils müde.

 

Bärbel und Hans, Asienreisende aus Stuttgart, kommen ebenfalls bei Walti an und helfen mit. So verbindend war das halbe Jahr Asien für uns. Sooou schööön!

 

Der flache Campingplatz von Calogne Palamòs gibt mir Gelegenheit, meine Sprachbücher auszupacken. Am Sonntag, 16. September 2018 geht die Touristensaison zu Ende. Ich muss weiterreisen und werde noch öfters vor geschlossenen Camps stehen!

Nicht aber jetzt auf dem Barcelona Camp in Catarò. Sauberes Camp, Wasser am Platz, freies WiFi, freie Elektrizität. Da lasse ich mich gleich eine Woche nieder für 17.95 EU pro Tag und Nacht. Eigene Busverbindung ins Zentrum von Barcelona, ca 40 Kilometer, für 2.90 EU. Das sind grosszügige Angebote!

 

Rechts und links der Rambla gibt’s unzählige ruhige Strassen und Plätze. Mal tauche ich ins Getümmel der Rambla, mal schlendere ich durch stille Gassen.

Die immensen Strassen in Barcelona faszinieren mich. Breit, mehrspurig mit Fussgängerzone in der Mitte. Alle Strassen mit Bäumen gesäumt. Mehrere Reihen. Zweireihig in kleineren Strassen. Hundertausende Roller und Motorräder sind ordnungsgemäss geparkt. Selten eins in Bewegung. Es fahren fast nur Autos. Abends um sieben immer noch dasselbe Bild. Etwas mehr Motorräder als am Morgen am Rollen, aber Autos füllen die Strassen in excellent flüssigem Tempo. Auf der breiten Rambla flanieren die Fussgänger zu Tausenden. In den Bäumen verjagen Sittiche krächzend die Tauben.

 

2016 wird der hundertste Todestag von Gaudì sein. Er wusste schon bevor er von einem Tram zu Tode gefahren wurde, dass er wegen der langen Bauzeit sein Werk, die Sagrada Familia, nie in fertigem Zustand sehen wird. Ein Architektengenie, seiner Zeit in künstlerischer Gestaltung weit voraus. Die Natur sei sein eigentlicher Meister, gab er von sich. Das mag er wohl für das Innere der Kirche meinen. Die äussere Hülle erscheint mir vielmehr dem Konzept der Konzeptvermischung zu folgen. Genial, was Gaudì an Klassischem und Modernem überlappen und ausarten lässt. Für seine Zeit unglaublich frech, aber immer noch sehr gegenständlich!  

 

Paul Isenring, Architekt und mit auf der Asienreise, bemerkt, Gaudì war kein Meister im Umgang mit dem Licht. Erst jetzt bemerke ich, dass der Wald, in den Gaudì einem durch die Säulenhallen führt, viel zu hell wirkt. Vom Haupteingang zum Altarraum wird man nach der Fertigstellung vom Licht ins Dunkel schreiten. Eine eigenartige Umkehrung für den Weg zu Gott, aber durchaus dem Leben abgeguckt. Vom gleissenden Aussen ins warme Licht des Innern. Gewollt oder Zufall? Das Innere erscheint gleichmässig von einem Stil, nicht so wie das äussere Gemenge.

 

Das Benediktinerkloster Montserrat liegt an den Felstürmen im Hinterland von Barcelona. Eine dunkle Madonna aus dem 12. Jahrhundert wird hoch oben im Altarraum der Kirche verehrt. Den Pilgern zum Saumberühren zugänglich. Um zwölf Uhr gibt’s ein zähes Gedränge. Der Knabenchor, das berühmteste historische Bleibsel aus der Benediktinerblütezeit wird das Salve Regina singen. Ich muss ins Freie und mir später die Gesänge ab CD in meiner Zelle anhören. Auch schööön!

 

Im Gebirge sind weite Steinmörtelwege angelegt. Schwierigen Stellen über abschüssigen Mergel sind mit Treppen überpflastert. Und davon gibt es eine Menge. Die Kapellen an den Wegen sind leider überall verschlossen. Der Himmel weiss warum! An zwei Tagen wandere ich mehrere Stunden in diesen faszinierenden Formationen herum. Sooou schööön!

 

Dem Meer entlang nach Süden wäre reizvoll. Ich entscheide mich aus Neugier für`s Innland und los geht’s über fast endlose Weiten auf gut ausgebauten Nebenstrassen nach Cuenca. Sechshundert Kilometer abseits! Ich bekomme einen ersten Eindruck wie gross Spanien ist. Sehr gross. Xmal die Schweiz. Zwölf Mal und noch ein Viertel dazu!

Bei Cuenca taucht das Schild ciudad encantada, die verwunschene Stadt auf! Dreissig Kilometer nördlich von Cuenca und rauf auf 1450 Meter Höhe. Das Wasser und die Erosion haben eindrückliche Gesteinsformen hinterlassen. Auf dieser Höhe ist es so still. Du hörst nur den Flügelschlag der Schmetterlinge.  

 

Die Römer waren da. Dann war es bis 554 n.Chr. eine westgotische Stadt. Dann geriet sie unter maurische Herrschaft und gewann an Bedeutung. Muslime, Juden und Christen arbeiteten und handelten in Toledo friedlich nebeneinander. Nach der Eroberung durch die christlichen Truppen unter Alfonso VI. wurde Toledo 1087 Residenz des Königreichs Kastilien und blieb bis 1561 Hauptstadt Spaniens. Philipp II. verlegte seine Residenz in das 71 km entfernte Madrid, das geographisch ziemlich exakt im Zentrum der iberischen Halbinsel und zu allen entfernteren Hafenstädten annähernd in gleicher Entfernung liegt.

Selbst nach der Einnahme Toledos durch Alfonso VI. von aussen blieb der religiöse Frieden erst noch bewahrt. Dann aber… Mitte des 14. Jahrhunderts hetzten giftspeiende Christen gegen die Juden. Ab 1492 begann die Vertreibung von Juden und Muslimen. Der blühende Handel war zerstört. Die geistige Auseinandersetzung in der Vielfalt der Ethnien verkümmert. Toledo galt bisher als Übersetzerzentrum aus vielen Sprachen wie der Arabischen, Jüdischen, Lateinischen, Mozarabischen, Romanischen und weiteren Sprachen. Berühmt war das Kriegsmaterial, die Schwerter aus Toledostahl. Die Mauren entwickelten eine spezielle Technik für glänzende Gravuren auf den Klingen. Export in alle Herren Länder. Alles kaputt! Toledo verlor an Bedeutung! Lebt heute von Touristen wie mir.

 

Zwei Synagogen und eine Mosche aus der Blütezeit Toledos wurden unchristlich umfunktioniert und bestehen heute noch als Museen.

 

 

Die Altstadt besteht fast nur aus „Seichgässli“ und es geht übel rauf und runter. Eine Orientierung darin ist sehr schwierig. Hilfreich sind die Strassennamen an allen Ecken und Enden auf Kacheln aus der Maurenzeit aufgezeichnet.  

OKTOBER 2018

 

In der riesigen Kathedrale von Toledo, mit allen Schmuckstücken darin, gefällt mir das lächelnde Kind, wie es nach dem Kinn seiner Mutter greift und auch sie zärtlich lächelt, die weisse Madonna mit Kind.

 

Der Erzbischof von Toledo ist noch heute der Vorsitzende der spanischen Bischöfe. Da erstickt die freie Wahl in der Tradition. Von 400 bis 702 gab es in Spanien achtzehn Konzilien, sozusagen Reichskonzilien. Könige beriefen Konzilien ein und mischten jeweils in den Beschlüssen mit. Sie verbanden sich nur teils mit Rom.. Bischöfe waren Kirchenfürsten mit Ländereien, zum Teil mit eigenem Militär.

 

Im Jahr 712 eroberten die Mauren die Hauptstadt des spanischen Westgotenreiches. Toledo erlebte unter den Muslimen im Kalifat von Còrdoba seine Blütezeit, wie ich schon im September-Bericht geschrieben habe. Christliche Truppen unter Alfonso VI. eroberten am 25. Mai 1085 Toledo wieder zurück und Toledo blieb bis 1561 Hauptstadt Spaniens, bis damals Philipp II. seine Regentschaft nach Madrid verlegte.

 

Meine Berichte werden etwas geschichtslastig, da ich meine Regentschaft bald nach Madrid, zum El Escorial, nach Avila, Sevilla, Cordoba und Granada verlegen werde. So ist halt Spanien, wenn man nicht bloss am Sandstrand des Mittelmeeres oder des Atlantik liegen bleibt.

 

Im Museo Nacional del Prado von Madrid wandle ich durch die Hallen. Eine Überzahl an christlichen Darstellungen aus dem 15. bis 19. Jahrhundert füllt die Wände. Die Werke sind zwar alle mit Fantasie komponiert, aber im Detail sehr wirklichkeitstreu gemalt. Einzig El Greco, der auf Kreta mit Ikonenmalerei begonnen hatte, wagte sich nach seiner Römerzeit in Spanien an den malerischen Ausdruck in gelösten Formen. Expressionisten haben sich später an ihm orientiert. In dieser Sammlung fällt El Greco wirklich aus dem Rahmen. Das haben schon seine Zeitgenossen kritisiert. Der malt nicht wie wir. Der kann nichts. Geschieht ja immer wieder. Und doch, wer nicht aus dem Rahmen fällt, schafft nicht wirklich Neues. Nach fünf Stunden den Wänden entlang gucken, brauche ich bald einen Rollator als Gehhilfe.

 

Die vielen Strassen und Strässchen der Innenstadt sind prall voller Menschen. Alle brauchen sie nichts, aber tappen ziellos, wie es mir scheint, in alle Richtungen. Die Afrikaner breiten ihre Tücher aus. Darauf sind schön geordnet Sonnenbrillen, kleine Börsen oder Damentaschen befestigt. Im Nuh sind sie ausgebreitet und liegen verkaufsfertig da. An den vier Enden der Tücher sind Leinen befestigt. Die halten die Verkäufer stets in ihren Händen und blicken nervös umher. Erblickt einer in der Ferne einen Polizisten oder ein Polizeifahrzeug, landet die ganze Fracht mit einem Zug vom Boden auf ihrem Rücken und schon setzen sie das Katz- und Mausspiel im Gebüsch oder in anderen Seitenstrassen mit der Polizei fort. Ich bekomme nicht den Eindruck, dass die Polizei sie wirklich greifen will, wozu auch, nur vertreiben. Wahrscheinlich kotzt es beide Seiten mächtig an. Wer aber ändert das Gesetz? In Barcelona habe ich beobachtet, dass die Verkäufer einen Teil der Ware unter den Abfallsäcken der nahestehenden Körbe verstecken, oder zwischen den Pflanzenkübeln der Restaurants. Falls die Polizei ihnen die Ware abnimmt, können sie auf den Rest der Ware im Versteck zurückgreifen und weitermachen. Warum wird eigentlich dieser unbeugsame Überlebenswille der Habenichtse nicht belohnt, sondern bestraft?

 

Mit diesen Eindrücken von der Strasse gehe ich die breite Innentreppe im Schloss der Könige und Königinnen hinauf. Saal um Saal überfüllt mit Ornamentik und Gemälden. Was mussten sich die armen Teufel (Königinnen und Könige) in diesem Prunk unwohl gefühlt haben. Erdrückender Aufwand in Stil und Farben, den kein Mensch drei Tage lang anzuschauen vermag, geschweige denn Jahre darin hausen. Nur im Wartezimmer sind Szenen des gemeinen Volkes bei ihrer Arbeit und ihrem Vergnügen gemalt. So, als wollte man hervorheben, schaut mal, was draussen los ist und wie feudal wir hier leben. Die Armut der im Reichtum Gefangenen ist zum Heulen.

 

Ich geb` noch eins drauf und fahre fünfzig Kilometer nordwestlich von Madrid nach San Lorenzo de El Escorial. El Escorial ist das Kloster-Schloss Philipp II. Er wollte mit dem Schlossbau die Herrschaft der Habsburger demonstrieren und mit dem völlig integrierten Klosterbau mit vier Kreuzganginnenhöfen einen Ort für seine Besinnung schaffen. 1563 bis 1584 gebaut! 2000 Gemächer mit 3000 Türen und 2673 Fenstern, 16 Höfe, 12 Kreuzgänge, 88 Brunnen und 86 Treppenaufgänge. Der Grundriss hat die Form eines Gitters, zu Ehren des heiligen Laurentius. Lorenz hat der Überlieferung nach auf einem Feuerrost das Martyrium erlitten. Das Äussere wie das Innere des Kloster- und Königsgebäudes ist streng und kalt gehalten. Kein Überschwang an Protz. Gleicht eher einer Kaserne. Im Keller liegen wohl geordnet viele königliche und verwandte Leichen. Das wird dereinst ein Geklimper geben, wenn die marmorweissen Sargdeckel fallen werden.

 

Die heilige Teresia wurde 1515 in Avila geboren. Eine grandios gesicherte Stadt mit geschlossenen Stadtmauern (2,5km), 9 Toren und 88 zylindrischen Türmen, im 11.  Jahrhundert gebaut, um sich gegen die Mauren zu wehren. Angesichts dieser Mauern und der Verteidigungshaltung dieser Stadt, in der Teresia lebte, fallen mir als Kontrast die Worte der Mystikerin ein: „Gott ist nur Liebe, wagt für die Liebe alles zu geben! Gott ist nur Liebe, gebt euch ohne Furcht!“ (Taizélied)

 

Avila liegt nördlich der Zentral Kordillieren. Die kreuze ich wieder auf 1416m nach Süden, schlafe über dem gestauten Fluss Tajo und kurve in der Extremadura durchs Olivental auf der Ex 118 zu meinem Ziel. Vier Kilometer zuvor fällt die Hochebene jäh ab und gibt den Blick frei auf weite Ebenen und das unter mir liegende Guadalupe.

Vor siebenhundert Jahren wurde hier eine mexikanische, schwarze Madonna gefunden. Die Statue soll aus dem zwölften Jahrhundert stammen. 1340 gab sie Anlass, am Fundort Guadalupe ein riesiges Hieronymitenkloster zu bauen, das Real Monasterio de Santa Maria. Auch heute kommen viele Pilger hierher. Die Schwarze Madonna, hoch oben im Altaraufbau, wird immer wieder vom Altarraum zu den Pilgern gedreht, die in einem verdeckten Chorrundgang in jener Höhe zur Verehrung ganz nahe an sie herankommen. Sowas sehe ich zum Dritten Mal. Hier in Guadalupe, im Kloster Montserrat und in Santiago de Compostela. Du magst noch weitere solcher Pilgerchorumgänge kennen.

 

Über Land zu fahren ist sehr spannend. Immer wieder verändert sich der Ausblick zwischen den Hügeln und Ebenen. Die Bäume sind noch laub- und nadelgrün, das Land staubtrocken. Ich bin auf der N 502 unterwegs und lande in..

 

Cordoba am Guadalquivir. Von aussen nichts Besonderes. Um 160 v.Chr. von den Römern gegründet. Ab 756 n.Chr. übernahmen die Muslime und brachten Cordoba zum Blühen. Zahlreiche Moscheen, öffentliche Bäder und eine wichtige Universität wurden geschaffen. Ein geistiges Mekka mit internationalen Gelehrten und Ärzten wie dem jüdischen Maimonides. Im 11. Jahrhundert regierte Al-Mansur gnadenlos. Der Niedergang begann mit ihm. Als Ferdinand III. im Jahre 1236 Cordoba eroberte, folgte auch der geistige Niedergang durch Isolation. Baulich aus der Blütezeit geblieben ist die weitläufige Mezquita, die Moschee mit dem befremdlichen Einfall von Christen, mitten in den Moscheebezirk eine Kathedrale zu bauen und in die muslimischen Nischen jede Menge Seitenkapellen einzubauen. Damals war auch in der Frömmigkeit das quantitative Denken vorn. Drei „Vater unser“ sind mehr wie eins. Viele andere Moscheen sind in Cordoba zu katholischen Kirchen umgebaut worden. Ein zweiter Hingucker sind die engen Gassen in der Altstadt und die kleinen Plätze, die alle bewirtet werden. Dank hoher Arbeitslosigkeit macht noch die kleinste Spelunke Betrieb.   

 

Das habe ich nicht vorgesehen. Die Pferde sind durchgebrannt. Nach fünfhundert Kilometern machen sie, bevor sie über die Klippen ins Meer stürzen, Halt in Sagres, Portugals äusserstem Punkt an der Algarve. Mein Herz schlägt höher über den Abhängen der Steilküste. Die Meereswellen klatschen und greifen danach. Ich will hier verweilen und alle meine Reiseberichte lesen (329 Seiten vom 1.August bis 30. September 2018). Das kann Tage dauern. Was passt nicht alles auf ein Reiseleben wie meines. Erstaunlich vieles und sooou schööön!

 

Eines Nachts kommt Unruhe auf dem wilden Camp auf. Franzosen haben eine Wetternachricht aufgeschnappt. Ein Sturm mit 130 km/h käme diese Nacht vom offenen Meer auf uns zu. Als ich ohne Zögern sage: „Ich bleibe“, bleiben auch sie und andere. Um Mitternacht beginnt er. Der Wind putscht mich die ganze Nacht wach. Morgens um drei ziehe ich die Stabilisatoren ein, damit sie nicht durchknallen. Schäden entstehen keine.

 

Die halbrunde Säulenhalle des Plaza de Espana in Sevilla und die Grünanlagen auf dieser Stadtseite wirken gewaltig. Der Guadalquivir fliesst ruhig vor der Stadt. In den hübschen Gässchen der Altstadt kommen keine Feuerwehrfahrzeuge durch, höchstens ein Wasserschlauch. Gegenläufige Touristen schlürfen und duften in Einerkolonne an mir vorbei. Hie und da steht eine Türe offen und gibt einen Blick auf einen gemütlichen Innenhof frei. Stiere hetzen zur Zeit keine durch die Gassen. Auf einigen Plätzen wird zu überlauter Lautsprechermusik Flamenco getanzt.

 

Zehn Kilometer nordwestlich von Sevilla stehen noch Reste eines römischen Aquädukts. Itàlica. Hispalis hiess die Stadt damals, als Kaiser Hadrian und Kaiser Trajan hier geboren wurden. Der Gründer dürfte Kaiser Julius Cäsar gewesen sein. 711 nahmen die Mauren die Stadt ein und brachten sie zu einer Blüte. 1248 nahm König Ferdinand von Kastilien die Stadt den Mauren ab. Sevilla erblühte nach der Eroberung Amerikas 1492 erneut. Der Atlantik liegt nur neunzig Kilometer weiter draussen und ist auf dem Gaudalquivir erreichbar. Fernando Magelan, Juan Sebastiàn Elcano und Christoph Kolumbus schifften von hier aus zu Entdecker- und Eroberer Reisen und brachten einen enormen gestohlenen und erbeuteten Reichtum ins Land.

 

Der Königspalast Reales Alcàcares ist total mit Häusern umbaut. Man würde ihn übersehen, wenn nicht um drei Ecken herum die lange Schlange Wartender auf das unspektakuläre Eingangstor hin kriechen würde.

 

Eine kürzere Schlange windet sich durch das Tor zur Kathedrale, die über die muslimische Moschee hinweg errichtet wurde. Fünfunddreissig Jahre lang haben flämische Künstler 2,4 Tonnen Gold aus Mexiko und Peru zum Altaraufbau verarbeitet! Aus Kuba wurde das Mahagoniholz für das Chorgestühl herangeschifft.

 

In der Kathedrale liegt Christoph Kolumbus begraben. Seine Knochen mussten in jüngster Zeit Material für einen DNA-Test hergeben. Ergebnis: Da soll er wirklich liegen. 

Was suchen denn die hier? In einer Kurve am Pass El Boyar (1103m) hocken etwa fünfzehn gewaltige Geier auf der Strasse. Ich kann keinen Kadaver entdecken. Warten die auf mich? Leider schwingen sich alle in kurzer Zeit unter den Bäumen weg.

Eine tiefe Schlucht, die der Tajo gefressen hat, trennt die Altstadt von der Neustadt von Ronda. Eine hohe Verbindungsbrücke eint sie und die Touristen.

 

Das Unwetter mit bis zu 400mm Regen/24h zieht vor mir über Ronda und westwärts weg. Chaos und Überflutungen von denen ich nicht betroffen werde.  

 

Vor einunddreissig Jahren habe ich sie besucht. Hans hütet die Vögel und Schildkröten, während Trudi sich in der Schweiz bei ihrem Sohn Patrick und ihrer Tochter Sibylle und Freunden aufhält. Ihre Wahlheimat heisst Malaga. In meiner langen Abwesenheit hat sich Malaga ganz fest herausgeputzt, viele Häuser ausgehöhlt und neu gestaltet. Eine blitzblanke Hafenanlage hingeworfen. Menschen drängen sich dicht an dicht in der Altstadt. Quirlig. 

 

Hans bekocht mich und fährt mich ins tausendzweihundert Meter hoch gelegene, zerklüftete Kalkgebirge Torcal bei Antequera, wo wir zwei Stunden auf Pfaden herumsteigen und Steinböcke sichten. Auch ins fruchtbare Hinterland von Malaga, wo die Muskatweinstöcke knappt über der Erde wachsen und die Trauben mühsam auf Bodenhöhe abgetrennt werden müssen. Wo die Mango- und Avocadosbäume riesige Haine bewachsen und die Artischocken Felder.

 

Die 402 von Vélez Màlaga landeinwärts steigt bis auf 1100m und bietet wunderbare Szenarien und Ausblicke.

 

Die Geschichte von Granada ist sehr wechselreich und zum Teil ungewiss. Darum schweige ich darüber. Nur so viel, wie überall in Südspanien gab es in Städten immer wieder Phasen friedlichen Zusammenlebens und dann wieder Gemetzel zwischen Spaniern, Muslimen und Juden. Die Stuckaturen in Sultans Palästen sind sehr filigran gearbeitet. So schön, dass sie von Christen nicht geschleift, sondern anders genutzt wurden. So zum Beispiel viele verschiedene Bauten in der Festungsanlage Alhambra. Brutaler wirkt die Zerstörung, wo sich König Karl V. einen Palast in die Alhambra hineingebaut hat. Mit Grabsteinen von muslimischen Morisken wurden in der Stadt Kirchenmauern errichtet.  

 

Die A4050, ein Geheimtipp von Hans in Malaga, führt von Granada weg über 1300m hinauf und auf einer schmalen Strasse wieder sehr kurvenreich durch tiefe Schluchten hinunter. Leider regnet es und liegt dichter Nebel. Nur wenige Sichtfenster lehren mich beinahe das Grusen vor den Abgründen. Um Steinschlag und Schuttmoränen zuvorzukommen ziehe ich es vor, sofort ans Meer runter zu fahren. Flucht nach vorn. Denn hier oben ist es noch fünf Grad warm. Es kann in der kommenden Nacht schneien wie Tage zuvor.

 

 

Eigentlich bin ich im September nach Spanien verreist, um die Sprache zu lernen und meine zwanzig Lektionen Selbststudium an den Mann zu bringen. Das funktioniert überhaupt nicht! Schon bei meinem korrekten Hòlla, fahren die spanischen Tourismusleute mit Hello und Englisch weiter. Die lassen mir keine Chance! Zeigen, was sie drauf haben. Kontaktfreudig sind die Spanier auf der Strasse überhaupt nicht.  So unterhalte ich mich denn halt bestens mit Franzosen, Engländern, Deutschen und Schweizern und lerne nichts dazu! Schade, aber auch eine Erfahrung. 

 

2018 November

 

Auf den 1. November kehre ich von Granada nach Malaga zurück. Mit Hans Eisenring hole ich anderntags überraschenderweise Trudi und ihre Schwester Elfi vom Flughafen ab. Mich freut dieser zweite Teil des Wiedersehens. Zum Abendessen kommen noch Carole und Franz dazu. Franz ist mit einem Katamaran namens Swiss Mocha und einem Gast unterwegs nach Lanzarote. Er würde mich gern mal zu einem Segelturn als Gast mitnehmen. Spontan freut mich dieses tolle Angebot… nicht wirklich! Du kennst meine Unerfahrenheit mit Wasser und meine Fantasie von Meeresungeheuern.

 

Tags wird es an der Südküste Spaniens zwischen zehn und zwanzig Grad warm. Je nachdem, ob es - wie relativ oft in diesem Herbst - regnet, oder die Sonne scheint.

Drei Nächte in Vélez Màlaga bringen mir Ruhe. Ich lese viel und höre stundenlang Drevermann. So ein kluger Kopf. Nur als in einer KenFM-Sendung der Interviewer gern ein aufstellendes, zukunftweisendes Statement für die Jugend gehört hätte, schaffte es Drevermann nicht mehr von den düsteren Gedanken weg. Schade! Das einzige, was er noch hervorbrachte: „Höre auf deine Gefühle, stehe zu ihnen und lass sie dir nicht nehmen. Lebe danach!“

 

Ich winde mich durch die kurvenreiche 3132 hoch bis auf 1500m nach Trevélez und weiter auf dieser Höhe entlang der Südflanke der Sierra Nevada bis Berja. Wundschöne Talsichten überall. Nach einem warmen Tag verhüllt sich der Himmel. Da oben wird es schneien. Ich fahre zur Vorsicht endlos ins Tal hinunter. Am Morgen lacht mich die Sonne aus. Die Gipfel sind weiss.

 

Unweit von Berja weitet sich das Tal dem Meer zu in ein riesiges Delta. Über das ganze Delta hinweg ist weisser Plastik gespannt. Billige Triebhäuser. Seitenwände aus Plastik, Dach aus Plastik. Tomaten, Tomaten, Tomaten und vielleicht sonst noch was. Ein elendiglich blendender Anblick. Schockierend. Wie kann man es in einer kleinen Stadt wie El Ejido mitten drin aushalten? Kein Problem! Die Strassen und die Blickwinkel sind so eng, dass man die Megaverunstaltung um die Stadt herum nicht sehen kann.

Auffallend viele Afrikaner schlendern zwischen den Treibhausanlagen herum. Willkommene Billigarbeiter?

 

In Almeria biege ich wenige Meter zu früh in eine Parallelstrasse ein. Owaia! Die ganze Strasse ist verstellt mit Autos von Vätern und Müttern, die sich eingefunden haben, ihre Kids von der Schule abzuholen. Hinter mir folgen weitere Fahrzeuge. Ich muss da durch. Und dazu noch zwei Mal um die Ecke. In dieser Situation bin ich viel zu warm angezogen. Zwei Mal rufe ich Mütter zu Hilfe, mir zentimetergenau Anweisungen zu geben, damit ich nicht kratze. Wir sind geschafft, die Herausforderung und ich!

 

Am südöstlichsten Zipfel von Spanien, von Mallorca abgesehen, am Cabo de Gata, lasse ich mich wie ein klassischer Winterflüchtling für drei volle Tage nieder und bike.

 

Die Südostküste hoch will mir nichts mehr wirklich gefallen und schwupps lande ich in Valencia. Bevor ich die Stadt betrete, bringe ich mein Womo auf dem Coll Vert Camp in Sicherheit. Du erinnerst dich an mein Pech im Januar 2012? Grosser Einbruchdiebstahl vor den Calatrava Gebäuden und schliesslich kam damals ein Rückruf, weil es meiner Schwester Helen gesundheitlich sehr schlecht erging.

 

Irving Washington, US-Schriftsteller, lebte 1829 auf der Alhambra in Granada und war öfters von Bettlern umgeben. „Es gibt zwei Klassen von Leuten hier, denen das Leben ein langer Feiertag zu seyn scheint – den sehr reichen und den sehr armen; den einen, weil sie nichts zu thun brauchen, den andern, weil sie nichts zu thun haben; es versteht aber niemand die Kunst, nichts zu thun und von nichts zu leben, besser, als die armen Klassen in Spanien. Das Klima thut die eine Hälfte und das Temperament das übrige. Man gebe einem Spanier Schatten im Sommer und die Sonne im Winter, etwas Brod, Zwiebeln, Oel, Erbsen, einen alten Mantel und eine Guitarre, so mag die Welt sich drehen wie sie will. Was Armuth! Sie hat für ihn nichts beschimpfendes. Sie umgibt ihn mit einem grandiosen Styl, wie sein zerlumpter Mantel. Er ist ein Hidalgo selbst in Fetzen.“

 

Auf meiner Asienfahrt durch etliche Wüsten hatte ich den Gedanken, die Geduld von Fischern ad absurdum zu zeichnen. Leider hatte ich keine Angelrute dabei, um die Szene eines Anglers in der Wüste nach dem Motto, fange ich diese Woche nichts, komme ich nächste Woche wieder, zu fotografieren. Vielleicht gelingt mir das noch auf weiteren Reisen.

 

Jetzt lese ich vergnügt bei Washington: „Ich hatte öfter einen langen spanischen Kerl bemerkt, der auf dem Gipfel eines der Thürme sass, und zwei oder drei Angelruthen handhabte, als wollte er nach den Sternen angeln. Das Thun dieses Luftfischers setzte mich eine Zeit lang in  Verlegenheit und diese Verlegenheit wuchs, als ich andere bemerkte, welche auf gleiche Weise auf verschiedenen Theilen der Zinnen und Bastionen beschäftigt waren; das Geheimnis erschloss sich mir nicht eher, als bis ich Mateo Ximenes zu Rath zog.

 

Die reine und luftige Lage der Veste scheint sie, wie Macbeths Schloss, zu einem fruchtbaren Hecknest für die Schwalben und andere Vögel gemacht zu haben, die mit der Feiertagslust von Jungen, welche eben aus der Schule gelassen worden, zu Tausenden um ihre Thürme spielen. Diese Vögel nun in ihrem gedankenlosen Umherkreisen mit Angeln, an denen Fliegen stecken, zu fangen, ist eines der Lieblings-Vergnügen der zerfezten „Söhne der Alhambra“, welche mit dem zu nichts brauchbaren Witze ausgemachter Müssiggänger auf diese Art der Kunst erfunden haben, in dem Himmel zu angeln.“

 

In Valencia gab es 1957 ein verheerendes Hochwasser, als der Turia über sein Bett hinausfloss. Der Staat und die Stadt bauten daraufhin dem Fluss ein neues Bett um die Stadt herum und legten das alte Flussbett trocken. Gegen den Plan, im alten Flussbett eine Stadtautobahn zu bauen entstand grosser Widerstand und das Projekt war auch viel zu teuer. Also beauftragte man 1981 Ricardo Bofill mit der  Grundsatzplanung eines Parks im ganzen Flussbett. Ein riesengrosses Projekt für Fussgänger, Jogger, Fahrradfahrer, Sportler und Parkhocker. Eine grüne Lunge für Valencia, die zuvor nur eine Staublunge besass! 1991 bis 2006 durfte Santiago Calatrava einen Teil des Flussbettes mit seinen Bauten gestalten, ein Haus für die Wissenschaft, ein Haus für die Kunst, ein Aquarium, einen gedeckten Palmenhain und eine harfenartig besaitete Brücke und überall Wasser darum herum. Der Stararchitekt, der es bis nach St. Gallen auf den Marktplatz Bohl geschafft hat, wurde in einem Vorort von Valencia geboren.  

 

Viola und Peter, die ich in Madrid kennen gelernt habe, empfangen mich in ihrem Haus in San Jorge. Sie zeigen mir auch die Burg von Peniscola. Da haben die Gegenpäpste des Abendländischen Schismas Benedikt XIII. und Clemens VIII. um 1420 bis 1423 gelebt.

Der Film El Cid wurde in Peniscola gedreht, obwohl die Geschichte sich in Valencia abspielte. Das war einer der wenigen Filme, die wir in der Gymelerzeit in Rheineck im Kino sehen durften. Was für ein Ereignis damals!

 

Am 19. November 2018 verlasse ich Spanien an der Grenze zu Andorra. Ein seltsamer Staat! Andorra liegt eingezwängt zwischen den Bergen. So eng, dass es für mich kein Halten gibt. Der Pass Richtung Toulouse (Frankreich) ist herrlich zum Fahren. Auf 2408 Metern auf dem Port D`Envalira liegt schon ganz schön Schnee. Ein beachtliches Skigebiet. Die Lifte leider aber noch nicht in Betrieb.

 

Nach einer herrlichen Tagesfahrt durch die Pyrenäen und Wanderung im Schnee stottert der Verkehr anfangs Pampiers FR. Menschen manifestieren und blockieren die Strassenkreuzungen um Toulouse. Viele Ausfahrten sind gesperrt, damit die Autofahrer den Manifestanten ins Netz gehen. Die Demonstranten wollen keine steigenden Diesel- und Benzinpreise. Als Zeichen der Solidarität soll auch ich die Warnweste hinter der Windschutzscheibe deponieren. Es könne dieser Protest noch Tage dauern, höre ich im Schweizer Fernsehen. Na dann! Im Verlauf der nächsten drei Tage komme ich mit der Weste hinter der Windschutzscheibe und Daumen hoch jeweils gut durch.

 

Ich solle auf die Zahlautobahn ausweichen, die sei frei und gratis. Ok, frei ist sie, aber für dreihundert Kilometer bezahle ich sechzig Franken. Wenigstens komme ich vorwärts. Dann rette ich mich finanziell wieder auf zahlfreie Autobahnen und die letzten hundertfünfzig Kilometer auf Nebensträsschen. Schliesslich parke ich nach siebenhundertachtzehn Kilometern, nach einer Schlafstunde am Nachmittag, am Abend in Taizé, meinem Kraftort.

 

Das schlicht gesungene Abendgebet mit fünfundfünfzig Brüdern und über hundert jungen Erwachsenen erfüllt meine Seele. Die Liste von Menschen, an die ich jetzt - wie an dich - denke, ist sehr lange, sehr herzerwärmend und erweitert sich im Morgenlob des nächsten Tages. Danke, dass es dich in meiner Erinnerung und in meinem Bewusstsein gibt. Auch du hast mein Leben gesegnet. Sooou schööön!

 

Nach siebentausendfünfhundertsechs Kilometern treffe ich in meinem Heimatort Vilters SG ein. Dreiundvierzig Mal habe ich vor allem vor Städten zu meiner Bequemlichkeit und Womos Sicherheit in Camps genächtigt. Zweiunddreissig Mal bin ich frei gestanden, behütet und geschützt durch mein Vertrauen, während andere mit Gas eingeschläfert oder niedergeschlagen und ausgeraubt wurden. Leider habe ich solche Geschichten jetzt - ausserhalb der Touristensaison - anhören müssen.

 

 

Sprachlich habe ich keinen Deut dazugelernt. Die Spanier sind mir an Touristenorten mit Englisch zuvorgekommen. Mit der Bevölkerung habe ich, als ob ich meine Selbstverständlichkeit der Kontaktnahme verloren hätte, keine Gespräche führen können. Selbst auf Campingplätzen, wo es leicht möglich war, mit Engländern, Niederländern, Schweden, Norwegern, Franzosen, Deutschen und Schweizern auszutauschen, habe ich es mit den Spaniern nicht geschafft. Auch eine Erfahrung!