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2014 NOVEMBER

 

Wegen Reparaturen verlängere ich das Campen auf dem Capilano River RV Park in Vancouver/Kanada. Der wird von First Nations betrieben. Eine triste Bande. Verschlossen, wortkarg, mürrisch, abweisend. Eines Abends gelingt es mir doch den Securitaswächter ins Gespräch zu verwickeln. Er müsse bald sterben, sagt der 36-Jährige. Seine verstorbenen Eltern würden ihn rufen. Als ich meinen Beruf verrate, reicht er mir ehrfurchtsvoll die Hand. Er ist Sohn eines Aborigin von Australien und einer saudi-arabischen Mutter. Als Zweiter taut ein bisher mürrisch abweisender Platzchef auf. Er soll mir die Propangastanks füllen. So eine Einrichtung habe er noch nie gesehen. Mehrmals versichert er sich, ob die Tankflaschen wirklich selber abschalten, bevor sie bersten. Ja, sage ich, er könne das Füllen aber mir überlassen und selber weit davonrennen. Darauf lacht er zum ersten Mal, bekreuzigt sich und füllt die Tanks. Die befürchtete Explosion bleibt aus. Die Erlösung hat ihm seine Zunge gelockert. Er erkundigt sich über dies und jenes am Womo. Die Dritte im Bunde ist Margrit. Sie arbeitet auf dem Empfang, wo sonst eine abweisend trockene junge Dame hockt. Margrit öffnet ihren Knoten der abwehrenden Geschäftigkeit im Gespräch und winkt mir zum Abschied sehr herzlich hinterher. Jetzt erst, wo ich ihn zum vierten Mal verlasse, fühle ich mich auf dem Capilano River Campground zu Hause. Ich werde wieder kommen.

 

Ich suche eine Werkstatt, die mir die mangelhafte Defroster Anlage aufpeppen kann. Ich werde von einer Türe zur andern weitergeschoben. Unterdessen geht die Arretierung an der Fahrertüre kaputt. Alex in der vierten Werkstätte, die ich heute aufsuche, ist von deutscher Abstammung. Er ist fähig, mir das Türschloss zu reparieren, allerdings kann er das erst in drei Tagen anpacken. Der Klimaanlage ist zur Zeit nicht zu helfen. 

 

Zeit zum Lesen habe ich. Jon Krackauer, into the wild (zu Deutsch: In die Wildnis: Allein nach Alaska). „Im April 1992 trampte ein junger Mann, der aus einer wohlhabenden Familie von der Ostküste stammte, nach Alaska und zog allein in die Wildnis nördlich des Mount McKinley. Vier Monate später stiess eine Gruppe von Elchjägern auf seinen stark verwesten Leichnam.“

 

Es wird um halb sechs Uhr dunkel. Nach einer Wanderung zum Fort Langley bin ich mit Bekannten auf einem Parkplatz eingesperrt. Wir wagen uns hilfesuchend zum beleuchteten Haus am Waldrand. Ein Mann öffnet uns die Türe bevor wir anklopfen. Das Vorhängeschloss sei nicht wirklich zugesperrt. Dann steigt er uns nach: „Woher seid ihr?“ „Ich bin aus der Schweiz.“ „I au, i bi dr Kurt vo Unterägeri“, platzt er heraus. Eine Einladung zum Kaffee folgt. Den werden meine Bekannten später einmal trinken.

 

Franz hat mit meinem Schwager Sepp in der Schweiz die Lehre gemacht. Franz weiss das beste Brot von Kanada zu backen. Zusammen mit Martha zeigt er mir im Einkaufszentrum Tüte um Tüte, was ich zum Brotbacken brauche. Am Abend lernt er  mich die Zutaten im richtigen Verhältnis mischen und zu Teig verarbeiten. Am Morgen stecke ich zwei Brote in meinen Gasbackofen. Daraus wird ein feines Brot! Na gut, am Boden etwas wenig gebacken. Darum lege ich es umgekehrt nochmals für fünf Minuten in den Ofen und hüpfe ins Haus von Franz und Martha, um meine e-mails zu checken und zu beantworten. Ein Skype-Gespräch lanciere ich auch noch. Nach einer Stunde, ich dachte so an fünf Minuten, komme ich zurück ins Womo. Es riecht ganz fein da drin. Nichts ist verkohlt. Es wirkt nur etwas sehr trocken , das arme Brot.

 

Vierzehn Tage nach Bestellung kommen die zwei Winterpneu am Freitag, 14. November um 15 Uhr in Vancouver an. Ein weiter Weg von der Ostküste zur Westküste. Um 16.30 sind sie fix montiert.

USA

Am Samstag, 15. November kann mich nichts mehr halten. Blauer Himmel. Mit jubelndem Gemüt fahre ich los. Bei Blaine über die Grenze in die USA. Der erste Beamte schockt mich: Nach einem halben Jahr USA gibt es kein Zurück mehr nach Kanada. Mit dieser erschlagenden Botschaft stehe ich zwei Stunden lang Schlange im Zollgebäude. Mein Körper und Gemüt fühlen sich bleischwer an. Dann die gegenteilige Aussage: Es ist Sache vom kanadischen Zoll, Sie wieder reinzulassen. Das sollte in einem folgenden Jahr eigentlich möglich sein, meinen zwei weitere Beamte. Für die USA habe ich ein Visum auf zehn Jahre für je sechs Monate am Stück pro Jahr. Diese sechs Monate sind aber nicht verlängerbar.  

 

In den USA, ich bin erst im Staate Washington unterwegs, muss ich mich erst zu Recht finden. Die Verkehrsdichte ist enorm grösser wie in Kanada. Lebensmittel einkaufen. Meine Walmart-Adresse ist total falsch und führt mich in ein enges, hügeliges Abseits. Beim Propan-Gas tanken zischt das Gas seitwärts aus der Kopplung. Wahrscheinlich ist die Dichtung zu kalt. Beim dritten Versuch hält der Junge dagegen. So geht es. Einen Stellplatz finde ich in Seattle nicht. Die Stadt ist hübsch und eng zwischen Wassern gelegen. Flucht nach vorn. Auf dem Highway 90 schaffe ich es westwärts durch Gebirgstäler bis Easton. Das Thermometer sinkt nachts auf minus 7 Grad. Um halb fünf Uhr wird es dunkel im Tal. Ich muss mir eingestehen, alle diese neuen Botschaften und Herausforderungen auf dreihundertfünfzig Kilometer Fahrt  verteilt machen mich müde.  Und ein Quäntchen besorgt, weil ich nächstens noch über Pässe auf siebzehnhundert bis zweitausend Meter klettern will. Es ist doch schon Mitte November.

 

Bald finde ich aus den Tälern heraus und riesige Ebenen öffnen sich, flankiert von niedrigen Bergen. Von dreihundert klettert das Höhenmeter langsam aber stetig auf den nächsten fünfhundert Kilometern von Terrasse zu Terrasse bis auf tausendsechshundert. Der Lookout Pass lässt mich auf Tausendachthundert steigen. Das Wetter ist Glücksache. Klarer Himmel. Bei Butte zweige ich von Hwy 90 auf Hwy 15 nach Süden ab. Die Strassen sind schneefrei. Die Ostseite der Rockies hat es beim letzten Schneefall nicht erwischt. Gut für mich. Die Weiten und sanften Flanken, denen ich entlangfahre, lassen mein Gemüt wieder hochleben. Das habe ich aber auch Seth zu verdanken. In Spokane bewundert er zusammen mit einer Studentin mein Womo. Die Strassen seien bequem und trocken zu fahren, meint er. Wir gehen zusammen Pizzaessen. Er ist ein Super-Frauen-Model-Fotograf. Ein feiner, sauberer Kerl dazu. Als er meinen Beruf hört, bittet er mich im Pizzarestaurant um ein Tischgebet. Er lebe voll in Harmonie mit Gott.  

 

Von der Abzweigung Hwy90 zu Hwy15 nach Süden fahre ich der Wettergrenze entlang. Im Westen blauer Himmel, im Osten bedeckt. Von Dillon an putscht der Wind und treibt Schnee über die Strasse. Keine grossen Verwehungen, denn die Flächen sind nur gepudert. Der höchste Übergang bei Monido (Montana) und der Opalmine Spencer (Idaho) mit 2074müM trägt nicht einmal einen Namen. Die Pässe sind alles langestreckte Passagen ohne Kurven. Nach baumlosen Gegenden grünt  in diesem Grenzgebiet Tannenwald bis 2500müM. Sanft fliesst das Land wieder ab in baumlose, endlose Weiten auf sechzehnhundert Meter über Meer. Ich werde  mich an diese Höhen gewöhnen.

 

Von Seattle bis Idaho Falls hat mich kein einziges Wohnmobil oder Derartiges begleitet. Da stell ich mir schon mal die Frage, ob ich verrückt bin. Meine Unsicherheit zeigt sich darin, dass ich dir viel über den Weg schreibe. Ich möchte ja nicht als gewagter, dummer Tourist in den Zeitungen stehen. Mit dem Bild von Schweizer Pässen in mir haben diese langgestreckten Übergänge nur die Höhe gemein. Ich erreiche Idaho Falls. Klassische Musik und Schnee geben mir ein adventliches Gefühl. Es ist erst der 18. November 2014.

 

Siebzig Prozent im Staate Utah sind Mormonen, gehören der Church of Jesus Christ of latter-day saints an. Joseph Smith gründete diese Gemeinde 1820 im Staate New York. Die Gemeinde wuchs sehr rasch. Seine politischen und wirtschaftlichen Überzeugungen stiessen aber auch  auf Antipathie. 1839 flohen die Mormonen nach Illinois. Smith wurde dort getötet. Brigham Youngs führte die Gemeinde auf einer entbehrungsreichen Reise nach Westen bis ins Salt Lake Valley. Seit 1847 ist Salt Lake City fest in mormonischer Hand. Ihr Hauptsitz befindet sich im Temple Square mitten in der Stadt. Dort wurde 1867 das Mormon Tabernacle als Auditorium gebaut. Willi, mein Zeltkumpel in der Gebirgsrekrutenschule ist Mormone. Ich war damals katholischer Theologiestudent, Willi bekennender Mormone. Der Korporal hat uns jeweils bewusst in dasselbe Zweimannzelt gesteckt in der Meinung: entweder zerfleischen sich die Beiden, oder sie haben den Frieden. Wir lebten grossen Respekt und Frieden und leben das bis heute.

 

Ein elf Kilometer langer Damm führt von Syracuse über den Salt Lake auf die 24 km lange und 7 km breite Antilopen Insel. 1893 wurden hier zwölf Bisons eingeführt. Die schnellsten Läufer Nordamerikas sind die Antilopen. Sie springen bis zu 110km/h. Ich bin ganz mausallein auf dem Inselcampground. Kojoten heulen das Nachtgebet, oder ist das erst das Tischgebet, weil sie mich wahrnehmen? Die Bisons sind ganz anständig. Ich komme dreissig Meter auf dem Pfad unterhalb einer Gruppe durch. Vier sind da. Sie stehen alle auf, mich zu begrüssen. Ein bisschen mulmig wird es mir allein schon. Schliesslich sind sie mit 4x4 ausgerüstet. Ich bin aber auch gut ausgerüstet. Seit einem Jahr mit einem neuen Knie. Heute hält es fünf Stunden Wandern und etwas Klettern durch. Vögel erschrecken mich ein paar Mal, weil ich auf dem Abstieg auf meine Füsse achte. Sie starten erst zu einer Fluchtstaffel, wenn ich ihnen beinahe auf den Schwanz trete. Soooou schöööö!

 

Vierhundertfünfzig Kilometer südlich von Salt Lake City fahre ich bei Moab zum nächsten Höhepunkt, dem Arches Nationalpark. Alle paar Meter zeigt das Gestein neue Formen und Überraschungen. Mal verfallen, mal hart, mal rund, mal flächig, mal versteinerte Sanddünen, mal Säulen mit witzigem Hut, mal ein Ei gauklerhaft balancierend, mal steinerne Naturbogen wie Fenster und Tore und das bei immer roter werdendem Abendlicht. Die absolute Überraschung bietet der Delicate Arch. Beim dreiviertelstündigen Aufstieg kann ich ihn nirgends sehen. Dann besteige ich auf einem ein Meter breiten Schrägband die letzte Anhöhe und, o Wunder….  Fantastisch erhaben steht er gleich vor dem Abgrund, hinter ihm liegt ein grosses (trockenes) Basin für die Götter. Achtundzwanzig Kilometer tief im Wunderland drin ein Campground. Diese Ruhe und finstere Nacht mit leuchtender Milchstrasse! Ein Geschenk des Himmels. Millionen Jahre hat die Natur daran gearbeitet, dieses Land zu überschwemmen und dann die versteinerten Ablagerungen wieder auszuwaschen.  Soooou schöööö!

 

Den Mexican Hut und das Monument Valley habe ich vor dreiundzwanzig  Jahren mit Dominic gesehen. Aktuelle Fotos kann ich dir keine zeigen. Keine  Speicherkarte eingelegt. Kein Kommentar! Ich schlage einen kleinen Haken auf Hwy 191 nach Süden in den Bundesstaat Arizona, um gleich wieder auf dem Hwy 89 hochzufahren zum Bryce Canyon im Staate Utah. Hunderttausende Türme und Türmchen recken sich im Canyon. Ein Fabelland.

 

Ich bewege mich andauernd zwischen 1350 und 2400 Höhenmetern. Schnee gibt es im November im Staate Utah dieses Jahr noch nicht. Wohl nachts Temperaturen unter null Grad. Das Wetter hält jeden Tag feine Sonnenstrahlen bereit.  Ich bin erleichtert und voll Dankbarkeit dem Schöpfer dieses Wunderwerkes Erde gegenüber. Soooou schöööö!

 

2014 Dezember

Am 1. Dezember 2014 fahre ich von Salt Lake City auf dem Hwy 80 in Richtung Reno. Zwischen Knolls und Wendover (an der Grenze Utah zu Nevada) liegt die grosse Bonneville Salt Flat. Hier werden die Weltrekorde von Renn-Flug-Wagen aufgestellt. Schneeweiss liegt die Ebene vor mir. Auf den nächsten achthundert Kilometern fahre ich über wundervolle, karge Hochebenen auf dreizehn- bis sechzehnhundert Höhenmetern. Ab und zu trennt ein Faltenwurf aus sanften Gebirgszügen in nord-südlicher Richtung die Ebenen. Um sie zu überwinden steigt das Womo auf achtzehnhundert bis zweitausendeinhundert Höhenmeter. Da bin ich froh um den hellen Sonnenschein ohne Schnee. Soweit das Auge reicht immer wieder nur dieselbe karge Büschelnatur. Durch ihre Kargheit hat sich Mutter Erde über hunderte von Quadratkilometern den Rücken vor menschlichen Übergriffen freigehalten. Einzig der Highway durchschneidet sie. Nach fünfhunderteinundachtzig Kilometern steige ich an diesem Tag in Winnemucca aus dem Sattel. Der Rest nach Reno wird ein Katzensprung sein.

Von der USA Grenze bis Renobin ich 4734 Kilometer auf sehr guten Highways gefahren. Auf der ganzen Strecke gibt es lediglich zwei kurze Brückenbaustellen! Wie schaffen es die Amerikaner nur, solch feste Strassen zu bauen, wo doch schwere Lastwagen mit 120 km/h daher sausen?

Bei meinem Neffen Eric, bei Gerda und Kristin und den Verwandten finde ich in Reno herzliche Aufnahme. So bin ich auch mit adventlichen Gefühlen gesegnet, alleweil mit guten Gesprächen unterwegs, sei es beim Schneeschuhlaufen oder im Hot-Pot im Freien. Eines Nachts zähle ich fünfunddreissig Sternschuppen.

Das nahe gelegene Carmeliterinnen Kloster schenkt mir die innere Wärme. Mit Gerda besuche ich dort die Gottesdienste und höre oft ihre feine adventliche Instrumental-Musik.

Ivo, eine weiterer Neffe aus der Schweiz, besucht in San Francisco eine Hämatologie-Konferenz. Im Anschluss fliegt er für ein paar Tage zu uns nach Reno. Ich schätze es sehr, diese Tage mit ihm zu verbringen.   

Am 14. Dezember taufen wir die zweijährige Eloise. Es gelingt ihren Eltern, Kristin und Nick, und dem Nani Gerda innerhalb von vierzehn Tagen die Gäste für diesen Tag zusammenzurufen und eine feine Taufe im Carmelterinnen Kloster und ein Taufessen bei Freunden in deren Wundervilla vorzubereiten. Bei der Taufe dieses fröhlichen Mädchens liegt eine tiefe Betroffenheit in unseren Herzen. Eloise und ihrer Mutter steht im kommenden Jahr eine Nierentransplantation bevor.  Den Spitalbesuch am Tag nach der Taufe müssen wir wegen Schneefall verschieben. Der gut zweistündige Weg zum Spital in Davis/Sacramento, wo Eloise behandelt wird, führt über den verschneiten, zweitausendzweihundert Meter hohen Donnerpass.

Ein Frauenchor und Cello, Violine, Harfe und Klavier bieten ein hervorragendes Weihnachtskonzert im Carmeliterinnen Kloster. Mein Herz hat nun die lichtvolle Adventstemperatur erreicht.

Du erwartest einen Abschnitt über mein Womo? Den füge ich dir gleich an. In Salt Lake City gab es wieder mal so einen Urknall, als ob der Gastank explodiere. Es ist der Balg der Luftfederung bei der Vorderachse rechts, der abgerissen ist. In Reno entdeckt Karl diesen Schaden. Drei Mal wechseln wir immer stärkere Briden.  Der Balg leckt nach dem kürzesten Tag im Jahr immer noch, auch noch im neuen Jahr.

Das Kühlschrankschloss ist ausgerissen. Der Werkstattchef vom RV Park Paramount bestellt mir eine Occasionstüre. Das defekte Innenschloss vergisst er zu bestellen. Das bedeutet für mich insgesamt zwei Mal eine Woche warten. Danach händigt mir Paramount die Rohstoffe aus. Auswechseln muss ich sie selber. Kein Problem, auch für Reparaturen habe ich mich in Reno für einen Monat niedergelassen. Wer hat denn mehr Zeit zur Verfügung wie ich? Das Problem zeigt sich erst an meinem Standort. Das neue Schloss ist nicht identisch mit dem alten. Die Türe fünfzehn Zentimeter zu kurz. Alles zurückbringen, einhundertzwanzig Dollar zurück und tschau. Eric hilft mir das Schloss in seiner Werkstadt flicken. Die Türe bleibt die alte! Geht doch!  

Am 22. Dezember 2014 bringt mich Craig mit seinem Pickup ins Skigebiet am Mount Rose bei Reno. Es ist höchste Zeit die Skiausrüstung zu benutzen. Mein rechter Fuss findet nicht genügend Platz im Innenschuh. Darin steckt ein warmes Bett aus Servietten und eine Vorratskammer mit Teigwaren. Das haben sich die Mäuse von Whistler, Kanada so eingerichtet. Schneekanonen besorgen nachts  feine Abfahrten. Wir rasen auf den Pisten. Was für ein gutes Gefühl. Ich bin so glücklich. Das Knie, vor einem Jahr operiert, hält allem Stand! Dem operierenden Arzt , meinen Pflegenden und Gott sei immer wieder Dank! Und weil das Skifahren auch auf Kunstschnee so schön ist, fahren wir tags darauf grad nochmals dahin. Soooou schöööön!

In einem Wald schlagen wir mit Erlaubnis einen Christbaum für die Weihnachtsfeier in der sorgfältig renovierten Wohnung von Kristin und Nick. Der Weihnachtsgottesdienst im Carmeliterinnen Kloster schenkt mir eine tiefe Ruhe. Nach dem Gottesdienst empfängt uns ein kurzer Schneefall.    

Gerda und Craig begleiten mich nach Empire, dem Geburtsort von Craig in die Black Rock Desert. Bis vor drei Jahren wurde in Empire Gips im Tagebau gewonnen, bis es der Companie nicht mehr rentierte. Seither ist das Dorf bis auf fünf Leute verweist. Die Häuser abgeriegelt und leer. Craigs Elternhaus steht ausserhalb des Fabrikgeländes. Darum können Sunny und Gay heute noch hier leben. Allein. Eben kommt eine hoffnungsvolle Botschaft herein. Eine neue Companie will wieder Gips fördern und als Düngemittel und zur Lockerung von Lehmböden an die Farmer verkaufen.  Damit würde vielleicht ein Teil des Dorfes, das früher dreihundertfünfzig Menschen beherbergte, wiederbelebt werden.

Die total flache Wüstenebene können wir weder befahren noch betreten. Der winterliche Regen hat den Lehmboden unpassierbar aufgeweicht.

Entlang der Black Rock Wüste dampfen verschiedene Heisswasserquellen. Gerda und ich sind nicht zu stoppen.  Auch bei null Grad Aussentemperatur sind die Tümpel zum Baden geeignet. Antilopen und Wildpferde, Kojoten,  Kaninchen, wilde Esel, Berglöwen und wilde Katzen leben am Rande der Wüstenebene. Gay ist ein ehemaliger Cowboy und Trapper. Er nimmt mich mit zur Kontrolle der Fallen für Wildkatzen und Kojoten. In einer alten Grube gehen wir Explosionsschiessen auf Gläser mit Tannerite und Katalyst. Bummmm! Hinter Gay`s Haus lerne ich Tonscheiben schiessen. Die ersten paar Schüsse gehen daneben. Als er mir zeigt, dass ich ein paar Zentimeter unterhalb der fliegenden Scheiben zielen muss, zersplittern mehrere davon in der Luft. Craig lernt mich mit zwei verschiedenen Quads fahren. Auch das lerne ich mit Erfolg. Trotzdem ist es mir leider nicht möglich ein Selfi zu schiessen. Du hättest einen Riesenspass an diesem Foto. Die Lage ist dermassen erschreckend perfekt: Der Fotoapparat liegt unter mir. Ich liege auf meinem Rücken. Das Vierradungeheuer auf mir. Nachdem ich meine Lage mit wachen Sinnen überblicke, gelingt es mir, das allzu zutrauliche Gerät von mir weg auf die Räder zu stossen, mich von der Last zu befreien und mich selber auf die Beine zu stellen. Letzteres ist gar nicht so einfach. Ich kann die Schmerzen von Brust bis unter die Schulter gar nicht lokalisieren. Fast bin ich wieder Herr der Lage. Jetzt sucht Craig mich im Gebüsch auf. Die Situation sieht für ihn weit weniger dramatisch aus als Momente zuvor. Darüber bin ich froh. Weiter geht`s. Würde ich abblasen, würden wir die fünf wilden Esel gar nicht sehen. Ehrlich, mich schmerzen diverse Stellen, aber mit Eis aussen und Whiskys innen schmerzt mich nur noch das Lachen. Und dazu haben wir beim Dinner beim Italiener Bruno in Gerlach,  reichlich Gelegenheit, da sich Elisabeth, eine Sprücheklopferin, an unseren Tisch gesellt. Mit all diesen wüstenerfahrenen Kumpels Gerda und Craig, Sunny und Gay zur Seite, bewege ich mich als starker Mann in den Wildwestträumen meiner Jugend in der Black Rock Desert. Ein absoluter Höhepunkt zum Jahresausklang.  Soooou  schööön!!!  


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